Bonus für Bulgarien
27. Mai 2002Köln, 27.5.2002, DW-radio / Alexandar Andreev
Am Sonntag (26.5.) ist die viertägige Visite von Papst Johannes Paul II. in Bulgarien zu Ende gegangen.
Sowohl aus bulgarischer, als auch aus internationaler Sicht hatte der viertägige Papst-Besuch zwei Dimensionen: eine kirchliche und eine politische. Als erster Papst aus einem slawischen und osteuropäischen Land versucht Johannes Paul II. schon seit Jahrzehnten den Dialog und die Annäherung zwischen den beiden, vor mehr als einem Jahrtausend auseinandergegangenen Kirchen in die Wege zu leiten. Und die bulgarische orthodoxe Kirche ist offenbar ein wichtiger Ansprechpartner in dieser Sache - nicht nur als eine der ältesten in der Orthodoxie, sondern auch wegen der engen Beziehung zur Russischen Kirche.
Die Einheitsbotschaft des Heiligen Vaters ist in der bulgarischen Heiligen Synode angekommen, die Resonanz war allerdings eher kühl. Der greise Patriarch Maxim, der wegen seiner Zusammenarbeit mit dem alten Regime seit Jahren unter Beschuss steht, hat sich zuerst geweigert, dem Besuch zuzusagen. Die im Vorfeld festgelegte protokollarische Umarmung hat Maxim schlicht ausfallen lassen. Und Bischof Neofit aus Ruse hat Klartext geredet: Der Papst sei ein Ungläubiger und Häretiker.
Allein die Tatsache, dass es zu einem Treffen und zu einem Meinungsaustausch gekommen ist, wird sowohl in der Umgebung des Heiligen Vaters als auch in Bulgarien als Durchbruch bewertet. Die bulgarischen Christen und die ganze Öffentlichkeit im Lande waren von den versöhnlichen Gesten des Papstes schlechthin begeistert. Denn der Pontifex hat nicht nur die wenigen bulgarischen Katholiken angesprochen und ermuntert. Er betonte auch die ökumenische Rolle der in Bulgarien sehr beliebten Slawen-Apostel Kyrill und Method und bekräftigte seine Liebe zum bulgarischen Volk.
Als "Balsam für die Volksseele" wurde auch eine weitere Schlüsselaussage des Papstes in Bulgarien empfunden: dass er nie an einer bulgarischen Beteiligung an dem Attentat auf ihn im Jahre 1981 geglaubt habe. Diese Aussage, die offenbar sogar die engsten Papst-Mitarbeiter überrascht hat, wurde von der bulgarischen Politik als "Freispruch" und Image-Verbesserung im westlichen Ausland interpretiert.
Auch dass Johannes Paul II. ausdrücklich Bulgariens EU-Beitrittsbemühungen begrüßt, hört man hier gerne. Die Regierenden in Bulgarien - vor allem der Ex-König und jetzige Ministerpräsident Simeon Sakskoburggotski - haben auf einen zweifachen positiven Effekt dieses Besuches gesetzt: Von den massenhaft angereisten ausländischen Journalisten hat man sich eine ausführliche und vor allem freundliche Berichterstattung über das ansonsten oft vergessene Balkan-Land erhofft.
Und durch die Papst-Aktivitäten in Sofia, Plowdiw und im berühmten Rila-Kloster erwartete man einen Ablenkungseffekt bei der Bevölkerung, die schon seit zwölf Reformjahren vergeblich auf eine Verbesserung der Wirtschaftslage wartet. Denn Simeon hatte seinen Landsleuten Wohlstand in 800 Tage nach seinem Amtsamtritt versprochen. 300 Tage seines Mandats sind schon um und seine Regierung kann noch keine Erfolge melden.
Bulgarien, das Land, das eine Schlüsselrolle bei der Spaltung der christlichen Kirche vor tausend Jahren gespielt hat, könnte heute eine wichtige Station bei der Wiederannäherung werden. Das war eindeutig das Hauptanliegen des schon sehr angeschlagenen Johannes Paul II. Und dass viele Journalisten nur wegen seines labilen Gesundheitszustands nach Bulgarien mitgereist sind, war ein Bonus für das Land und seine Bevölkerung. (fp)