Bolivien: Streit um Lithium vor der Präsidentschaftswahl
4. August 2025In diesem August wird in Bolivien gewählt. Kaum ein Thema im Wahlkampf ist so emotional besetzt wie die Lithium-Förderung. Gegenseitige Vorwürfe und ein rücksichtsloses Vorgehen von internationalen Konzernen verhindern bislang eine Nutzung des Potentials.
Für seine Attacke auf den Kandidaten aus dem eigenen linken Lager nutzte Ex-Präsident Evo Morales wieder einmal die Lithium-Keule. "Hinter den Kulissen wird verhandelt" warf der Linkspolitiker, der Bolivien von 2006 bis 2019 regierte, bei einer Veranstaltung in Sucre seinem Rivalen, Präsidentschaftskandidat Andrónico Rodríguez, vor. Der in den Umfragen am besten positionierte Kandidat aus dem linken Lager dementierte den Vorwurf und entgegnete: "Jetzt fehlt nur noch, dass sie sagen, ich hätte mich mit Elon Musk getroffen."
Deutsches Joint-Venture untergegangen
Seit Jahren sind innenpolitische Rivalitäten das größte Hindernis für die Nutzung des bolivianischen Lithium-Potentials. Immer wieder werfen Politiker aller Lager einander geheime Absprachen oder Korruption vor. Auch die deutsche Bundesregierung musste das schmerzhaft erfahren. Im Jahr 2019 scheiterte ein deutsch-bolivianisches Joint-Venture inmitten des Wahlkampfes.
Die Opposition hatte dem Abkommen misstraut. Der damalige Präsident Evo Morales zog seine Zusage zurück, um die Gemüter im Wahlkampf zu beruhigen. Seitdem schaut die deutsche Industrie mit Ausnahme einiger punktueller Projekte im lithiumreichsten Land der Welt nur zu.
Unverzichtbar für E-Mobilität
Rund 23 Millionen Tonnen Lithium lagern nach heutigem Wissensstand auf bolivianischem Gebiet. Der überwiegende Teil davon im Salar de Uyuni. Und seit bekannt ist, dass es wohl nirgendwo so viel Lithium gibt wie in Bolivien, tobt in der Andennation ein politischer Machtkampf um den Rohstoff, der für die vor allem in westlichen Ländern propagierte Wende weg vom Verbrenner hin zur emissionsfreien E-Mobilität von Nöten ist.
Denn Lithium wird für die Speicherbatterien benötigt. Der Verband der deutschen Automobilindustrie unterstreicht die Bedeutung der Rohstoffe wie Lithium für die Branche: Für den Mobilitätsstandort Deutschland sei eine zuverlässige und preisstabile Verfügbarkeit dieser Rohstoffe notwendig, so der Verband.
Politische und technische Hürden
"Trotz zahlreicher Anstrengungen und internationaler Kooperation ist es dem staatlichen Unternehmen YLB (Yacimientos de Litio Bolivianos) bisher nicht gelungen die Schwierigkeiten zu überwinden", sagt Geowissenschaftler Dr. Thomas Cramer von der Universidad Nacional de Colombia in Bogota im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er forscht zu Mineralien in Südamerika. "Auch sind Straßen, Energieversorgung und Anlagen zur Weiterverarbeitung teils noch im Aufbau oder fehlen, ebenfalls wie ein direkter Zugang zum Meer und damit einhergehende höhere Transportkosten."
Die Konkurrenz zieht davon
Während Bolivien bisher nur Pilotanlagen errichtete und geringe Ausbeute erreichte, sei Chile 2024 mit 49.000 Tonnen - und damit zweitgrößter Produzent nach Australien mit 88.000 Tonnen - an einer globalen Gesamtproduktion von 240.000 Tonnen beteiligt gewesen, berichtet Geowissenschaftler Dr. Cramer. Argentinien steuerte immerhin 18.000 Tonnen bei.
Das hohe Lithiumangebot auf dem Weltmarkt habe zu einem Preisrückgang geführt, der Investoren zögern lässt. Und wie in vielen anderen Ländern auch, sei in Bolivien der Bergbau keineswegs unumstritten. Verschiedene Akteure versuchten, "bei der Verteilung der zukünftigen Einnahmen und der unvermeidbaren negativen Impakte nicht benachteiligt zu werden", so Dr. Cramer. Zudem gäbe es Bolivien es kaum industrielle Tradition mit großtechnischer Lithiumproduktion, "während in Chile und Argentinien große, erfahrene Bergbauunternehmen aktiv sind".
Widerstand gegen Großkonzerne
Besonders rabiat gingen zuletzt Unternehmen aus Russland und China vor. Sie drängten darauf, dass die amtierende bolivianische Regierung Verträge in Rekordzeit durch die Parlamente peitschte. Doch weder die bolivianische Regierung noch die Unternehmen befragten die lokale Bevölkerung, wie es die bolivianische Verfassung vorschreibt.
Die indigene Bevölkerung der Provinz Nor Lipez warf den Unternehmen vor, diese "Consultas" nicht durchgeführt zu haben. "Die Verträge und ihre Anhänge sehen keine Konsultationsprozesse vor, um die vorherige, freie und informierte Zustimmung (CPLI) der indigenen Völker einzuholen, obwohl die Beeinträchtigungen der Süßwasserquellen innerhalb des indigenen Territoriums Nor Lípez stattfinden werden", heißt es in einem "Manifest für die bolivianische Öffentlichkeit", das von mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen unterschrieben wurde.
Die indigene Interessenvertretung der Region, kurz CUPCONL genannt, erteilte den betroffenen Unternehmen daraufhin ein Zutrittsverbot: "Die CUPCONL als alleinige und uneingeschränkte Eigentümerin der Territorien (…) beschließt, den Unternehmen Uranium One Group und Hong Kong CBC den Zutritt zu unserem territorialen Zuständigkeitsbereich zu untersagen." Zugleich kündigten die indigenen Gemeinden an, internationale Gerichte anzurufen, um ihre Interessen zu vertreten.
Während sich der Kampf um die Deutungshoheit vor den Präsidentschaftswahlen am 17. August und einem mutmaßlichen entscheidenden zweiten Durchgang im Oktober zuspitzt, hoffen vor allem internationale Investoren, dass es danach endlich eine klare politische und rechtliche Grundlage für das künftigen Vorgehen im Land gibt.