Bislang heftigste US-Angriffe gegen Afghanistan
28. Oktober 2001Am Samstag wurde nach Angaben der in Pakistan ansässigen afghanischen Nachrichtenagentur AIP zum ersten Mal die Stadt Talokan in der nördlichen Provinz Tachar bombardiert. Außerdem setzten US-Kampfflugzeuge ihre Attacken gegen Kandahar, Herat, Kabul, Dschalalabad und gegen Taliban-Frontstellungen fort. Die Taliban exekutierten nach eigenen Angaben fünf weitere gegnerische Kommandeure.
Die Milizenführer waren nach Angaben von AIP am Freitag bei Gefechten in Dara Souf in der nördlichen Provinz Samangan in die Hände der Taliban gefallen. Die USA hatten die Nordallianz, die in dieser Region gegen die Taliban kämpft, in den vergangenen Tagen mit schweren Bombardements von Taliban-Stellungen unterstützt. Beobachter werten die Exekutionen als Versuch der Taliban, ihre afghanischen Gegner von der Zusammenarbeit mit den USA abzuschrecken.
Am Freitag hatten die Taliban den Milizenführer Abdul Hak nahe der Hauptstadt Kabul gefangen genommen und exekutiert. Hak galt als wichtiger Partner der USA bei der Suche nach einer neuen afghanischen Regierung nach dem angestrebten Sturz der Taliban.
IKRK stellt Hilfsleistungen am Samstag ein
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) kann nach eigenen Angaben wegen der Bombardierung ihrer Lagerhäuser in Kabul am Samstag dort keine Hilfe leisten. "Wir werden heute nicht in der Lage sein, unsere Lieferungen wieder aufzunehmen", sagte der IKRK-Sprecher Mario Musa. "Die Lebensmittel waren für arme, behinderte Menschen." Von den fünf Lagerhäusern des IKRK in der afghanischen Hauptstadt seien inzwischen vier bei Luftangriffen zerstört worden. Die Hilfsorganisation lagerte Musa zufolge dort Lebensmittel und Decken für 55.000 behinderte Menschen, die völlig auf die Hilfe des IKRK angewiesen seien.
Das US-Verteidigungsministerium hatte am Freitag erklärt, aus versehen am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag Bomben auf einen Lagerhaus-Komplex des IKRK in Kabul abgeworfen zu haben. Auch ein etwa 200 Meter entferntes Wohngebiet sei getroffen worden. Erste Ermittlungen deuteten auf menschliches Versagen hin, hieß es in einer Erklärung. Dem IKRK zufolge waren die Dächer der Lagerhäuser eindeutig mit einem gut sichtbaren Rotem Kreuz versehen. Am 16. Oktober waren zwei der Lagerhäuser im selben Komplex bereits getroffen worden. Die USA teilte am Freitag mit, diese seien früher von den radikal-islamischen Taliban zur Lagerung von Waffen verwendet worden.
Russland will Nordallianz mit Panzern ausstatten
Russland will die Oppositionstruppen der Nordallianz in den kommenden zwei Monaten mit 40 Kampfpanzern und mehr als 100 Panzerfahrzeugen ausstatten. Dabei handele es sich um älteres Material im Wert von 45 Millionen Dollar (99 Millionen Mark/50,6 Millionen Euro), meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Russland unterstützt die Nordallianz seit Jahren, hat seine Hilfe aber nach den Terroranschlägen vom 11. September aufgestockt.
Trauergottesdienst neben Trümmern des World Trade Centers
Hunderte Familien nehmen an diesem Sonntag in New York bei einem Trauergottesdienst direkt neben den Trümmern des World Trade Centers (WTC) Abschied von ihren in den Beton- und Stahlmassen umgekommenen Angehörigen. Die Gebete für die Toten werden von Geistlichen aller größeren Religionen gesprochen.
Opernstars wie Andrea Bocelli und Renee Fleming werden für die Trauernden singen. "Wir wollten den Familien die Möglichkeit zum Gebet genau an dem Ort geben, wo ihre Lieben umgekommen sind", sagte New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani. Bisher wurden weniger als 500 Tote geborgen. Die Stadtverwaltung geht auf Grund der vorliegenden Vermisstenmeldungen offiziell davon aus, dass unter den gewaltigen Trümmermassen noch die Überreste von weit mehr als 4000 Opfern begraben sind. Nach anderen Erhebungen sollen es weniger als 3000 sein.
Experten rechnen damit, dass sehr viele Tote nie gefunden werden. Sie verweisen auf die ungeheuere Wucht des Einsturzes und die Gluthitze nach den Explosionen der beiden voll getankten Flugzeuge. Viele Angehörige fürchten deshalb, ihre Toten nie begraben zu können. Sie baten die Stadtregierung um die Möglichkeit von Trauerfeiern direkt am Ort des Grauens. Auch weil dadurch die Bergungsarbeiten stark beeinträchtigt worden wären, entschied man sich für einen zentralen Trauergottesdienst.