Bei der Korruptionsbekämpfung bildet der Balkan das Schlusslicht
10. Januar 2002Köln, 10.1.2002, Dw-radio
Mit Unterstützung der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung fand im vergangenen Jahr eine Umfrage zu den Problemen statt, die durch Wirtschaftskorruption verursacht werden. Die Umfrage wurde in 22 Transformationsländern in Südosteuropa, Ostmitteleuropa und den ehemaligen Sowjetrepubliken durchgeführt. In diesen Regionen wurden ca. 3000 Unternehmen befragt. Die gesammelten Informationen wurden nun verwendet, um Merkmale und Verbreitung von Korruption in Regierung und Wirtschaft der sieben Empfängerländer des Balkan-Stabilitätspakts mit den übrigen Ländern des ehemaligen Ostblocks zu vergleichen. Aus der Studie im Auftrag des Stabilitätspaktes lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Südosteuropa beim Thema Korruptionsbekämpfung den Anschluss zu verpassen droht.
Typisch für die Region ist zwar das hohe Maß an Korruption in Politik und Administration, das auch für Russland und die Mehrzahl der ehemaligen Sowjetrepubliken charakteristisch ist. Andererseits scheint in den Balkan-Ländern im Vergleich zu den ostmitteleuropäischen bzw. baltischen Staaten die Korruption als notwendiges Übel viel eher hingenommen zu werden.
Die Korruption im südöstlichen Europa erweist sich deutlich als Folge schwacher Regierungen. In dieser Region ist der Einfluss von politischen und wirtschaftlichen Gruppierungen besonders stark, die über gut funktionierende Hebel verfügen, um Gesetzgebung und Entscheidungsprozesse in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gleichzeitig wird die Anwendung existierender Gesetze und Vorschriften stark durch die Bestechlichkeit von Beamten beeinflusst. Sichtbar wird die Korruption in der Verwaltung vor allem bei der Vergabe von Lizenzen und Genehmigungen, bei den unklaren Zollprozeduren und bei der Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge.
In Südosteuropa sind den Umfrageergebnissen zufolge doppelt so viele Unternehmen wie in Ostmitteleuropa gezwungen, Schmiergelder zu zahlen, um Zugang zu öffentlichen Aufträgen, Lizenzen und der notwendigen Infrastruktur bei Transport und Kommunikation zu erlangen. Ein Fünftel der Unternehmen in Südosteuropa gibt an, dass die größte Gefahr für das Geschäft Schmuggelware darstellt. Dieser Anteil ist im Vergleich zu den Angaben in den ehemaligen Sowjetrepubliken drei Mal so groß. Korruption in Zollbehörden und Schmuggel bedrohen die Wirtschaft in Ostmitteleuropa und im Baltikum fünf Mal weniger als auf dem Balkan.
Aber die Unternehmen in den fortgeschritteneren Transformationsländern fürchten dafür die Konkurrenz westlicher Hersteller drei Mal mehr als die Unternehmer auf dem Balkan und in der ehemaligen Sowjetunion. Innerhalb der Balkan-Länder zeigen sich deutliche Unterschiede in den für sie charakteristischen "Korruptionsprofilen". In der Studie der Antikorruptionsinitiative des Stabilitätspaktes wird angegeben, dass das Bestechungssystem in Bulgarien stark den entsprechenden Methoden in Kroatien und Bosnien ähnelt. Typisch für diese drei Länder sind das hohe Maß an politischer Korruption und das mittlere Maß an Korruption in der Administration. Durch ein mittleres Maß an Bestechung in der Politik und ein hohes Maß an Korruption in der Verwaltung zeichnen sich hingegen Mazedonien und Albanien aus. Auffällig in Rumänien und Moldova ist die starke Verbreitung von Korruption sowohl in der Politik als auch in der Administration. (fp)