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Wie Geld aus den USA Deutschlands Basketball verändert

Jonathan Harding
18. September 2025

EM-Titel, 3x3-Olympiasieg, Erfolge bei den Junioren - der deutsche Basketball erlebt derzeit eine goldene Ära, doch gibt es Sorgen, dass Gelder von US-Colleges zukünftige Generationen beeinflussen könnten.

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Spielszene FC Bayern München gegen Ratiopharm Ulm mit Johannes Voigtmann
Die BBL ist zur starken Marke geworden - verliert sie im Vergleich zur NCAA künftig an Attraktivität für Top-Talente?Bild: Harry Langer/DeFodi Images/picture alliance

Nach dem Sieg von Franz Wagner, Dennis Schröder und Co. über die Türkei bei der Basketball-Europameisterschaft besteht wohl endgültig kein Zweifel mehr daran, dass Deutschland seine bislang erfolgreichste Basketball-Ära erlebt.

Zwei Jahre nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft und ein Jahr nach dem Olympiagold der deutschen Frauen im 3x3-Basketball in Paris setzen sich die Erfolge fort: Neben dem EM-Gold der deutschen Männer gewannen 2025 die U19-Junioren Silber bei der Weltmeisterschaft, die U16-Juniorinnen Bronze bei der EM.

Obwohl acht der zwölf Spieler des deutschen EM-Kaders im Ausland spielen - darunter mit Dennis Schröder, Franz Wagner und Tristan Da Silva drei in der NBA - und die anderen vier allesamt beim FC Bayern Basketball, hat sich auch die Basketball-Bundesliga (BBL) in den vergangenen Jahren insgesamt stark entwickelt.

Sie zählt mittlerweile zu den stabilsten und spannendsten Ligen Europas und bietet vielen jungen, deutschen Spielern ein gutes Umfeld, um auf hohem Niveau zu spielen und Erfahrung zu sammeln.

Starke, heimische Liga als wichtige Basis

Wie wichtig eine starke heimische Liga ist, zeigte sich nicht zuletzt bei der Qualifikation zur EuroBasket 2025, die die Grundlage für den späteren EM-Titel bildete. In Abwesenheit der großen Stars sorgten vermehrt Spieler aus der BBL dafür, dass Deutschland es zur Endrunde schaffte.

Bei der Auswahl des EM-Kaders fanden sie dann keine Berücksichtigung mehr. Beispiele sind Christian Sengfelder von den Telekom Baskets Bonn oder die ALBA-Berlin-Spieler Louis Olinde, Malte Delow und Jonas Mattisseck.

Mannschaftsfoto der deutschen Basketball-Nationalmannschaft vor EM-Qualifikationsspiel gegen Montenegro im Februar 2024
Zu Beginn der EM-Qualifikation stand mit Oscar Da Silva (1.v.r.) nur ein späterer Europameister im Team Bild: Sandy Dinkelacker/Eibner-Presse/picture alliance

Dass so viele Deutsche in BBL-Klubs eine tragende Rolle spielen, liegt auch an der sogenannten 6+6-Regel. Sie schreibt vor, dass mindestens sechs deutsche Spieler im Zwölf-Mann-Kader stehen müssen. Damit ist gewährleistet, dass auch einheimische Spieler regelmäßig längere Einsatzzeiten bekommen. Davon profitieren die Profis und die Nationalmannschaft.

Finanzstarke Konkurrenz in den USA

Allerdings erwächst der BBL in den USA seit einigen Jahren eine starke Konkurrenz im Kampf um die besten Talente. Seit 2021 gilt an US-amerikanischen Universitäten und Colleges das NIL-System. Es steht für Name, Image und Likeness [Name, Bild, Beliebtheit] und erlaubt es College-Athleten, Geld mit ihrem Namen, Bild und ihrer Marke zu verdienen - etwa durch Sponsoring, Werbung oder Social Media.

Auf diese Weise können die Collegespieler erstmals legal Einkommen erzielen, ohne ihren Amateurstatus zu verlieren, der ihn auch für internationale Talente finanziell und medial sehr attraktiv macht. Erweitert werden die Verdienstmöglichkeiten dadurch, dass die Colleges seit Mai 2024 bis zu 20 Millionen US-Dollar pro Jahr direkt an ihre Sportler ausschütten dürfen - eine grundlegende Veränderung des College-Sports.

Basketballspieler Cooper Flagg von der Duke University hängt nach einem Dunk mit einer Hand am Korb
Top-Collegespieler Cooper Flagg hat schon vor seinem Wechsel in die NBA Millionen verdientBild: Eric Gay/AP/picture alliance

Während die Einstiegsgehälter für Jungprofis in der BBL bei etwa 3000 bis 5000 Euro liegen, können gute Collegespieler daher nun ein Vielfaches verdienen. Die NCAA bietet zudem eine große Bühne mit hoher Sichtbarkeit und direkter Nähe zu den NBA-Klubs und deren Scouts.

Die besten Collegespieler sind allerdings schon Multimillionäre, bevor sie es überhaupt in die NBA schaffen. So soll Cooper Flagg, der beim NBA-Draft im Juni von den Dallas Mavericks als erster Spieler ausgewählt wurde, in seinem letzten College-Jahr dank NIL-Verträgen rund 28 Millionen US-Dollar verdient haben.

Wintermantel: "Viele werden zurückkommen"

"Ich denke, der Wechsel in die NCAA ist für viele Spieler aktuell wahrscheinlich der beste Schritt", sagte Hannes Steinbach, ein 19-jähriger Forward, der zuletzt für die Würzburg Baskets spielte. Nur sieben Monate nach seinem Bundesliga-Debüt entschied er sich für ein Studium an der Washington University.

"Vom europäischen Basketball in den amerikanischen Lifestyle zu wechseln und früh eine andere Spielweise kennenzulernen, kann einen besser auf die NBA vorbereiten", erklärte er in einem Interview zu seinen Gründen für den Wechsel zu Washington Huskies.

Robert Wintermantel ist Leiter für Sport und Finanzen bei der BBL. Er war maßgeblich an der Einführung der 6+6-Regel beteiligt und möchte sie beibehalten, auch wenn künftig weniger junge Talente in Deutschland bleiben könnten.

BBL-Funktionär Robert Wintermantel bei Ehrung von BBL-Rekordspieler Karsten Tadda
Robert Wintermantel (l.), hier mit BBL-Rekordspieler Karsten Tadda (r.), war früher selbst BBL-ProfiBild: G. Santemiz/Eibner/IMAGO

"Natürlich verlassen derzeit einige talentierte Spieler die Klubs, um in die NCAA zu wechseln. Das ist eine Übergangsphase, viele werden zurückkommen", sagt Wintermantel gegenüber DW und betont die sportlichen Chancen und finanziellen Möglichkeiten, die sich deutschen Talenten durch die Zeit am US-College bieten

"Das sind alles sehr positive Dinge für die einzelnen Spieler. Als Liga sollten wir ihnen keine Steine in den Weg legen", sagt er. Gleichzeitig spricht sich Wintermantel dafür aus, dass deutsche Vereine für die Ausbildung ihrer Spieler entschädigt werden sollten.

"Die Klubs haben diese Spieler hervorragend ausgebildet, und die Liga hat durch Standards im Jugendbereich ebenfalls einen wichtigen Beitrag geleistet", sagt er. "Im NCAA-System steckt so viel Geld, dass gemeinsam mit der FIBA eine Lösung gefunden werden muss."

Ausbildungsentschädigung für deutsche Vereine?

Tatsächlich strebt die FIBA, der Basketball-Weltverband, offenbar Gespräche mit der NCAA an, um eine Lösung zu finden. Ob das gelingt und wie eine solche Regelung aussehen könnte, ist noch unklar.

Ein Problem dabei: Woher soll die Entschädigung kommen? Es gibt über 360 Division-One-Colleges in 31 Conferences - eine zentrale Verhandlungsinstanz fehlt.

Basketballer Kilian Brockhoff von der St. Louis Universitiy blockt Zachary Royster von Loyola
Der deutsche Center Kilian Brockhoff (Nr. 14) wechselte 2023 von Zweitligist Rasta Vechta ans US-CollegeBild: Richard Ulreich/Cal Sport Media/Newscom/picture alliance

Unabhängig davon, ob künftig Geld aus der NCAA nach Deutschland fließt, beschriebt Wintermantel die Entwicklung des deutschen Basketballs als "unglaublich" und betont, dass die BBL seit Jahrzehnten stetig wächst. Den Verlust eines Talents wie Hannes Steinbach sieht er zwar kritisch, glaubt aber nicht, dass dies die solide Basis des deutschen Basketballs gefährdet.

"Ich glaube, wir haben eine sehr gute Zeit vor uns. Es gibt bereits viele weitere außergewöhnliche Talente, die in die Fußstapfen dieser goldenen Generation treten werden. Es ist wichtig, dass wir jetzt eine Basketballnation sind, die ernst genommen werden muss."

Wintermantel hofft, dass der aktuelle Boom zu mehr Medienpräsenz führt - und damit zu mehr Sponsoren und Geld. So könnte die BBL ihre Spieler länger halten oder schneller zurückholen. "Basketball hat es verdient", sagt er.

Der Text wurde aus dem englischen Original "How NIL money changes the game for German basketball" adaptiert.

Adaption: Andreas Sten-Ziemons