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Barbies Vorbild war ein deutsches Callgirl

11. August 2025

Vor 70 Jahren erschuf ein deutscher Zeichner die Karikatur Lilli. Aber erst durch die Unternehmerin Ruth Handler wurde aus der Männerphantasie Lilli der Main Character der Kinderzimmer weltweit - Barbie.

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Barbie-Puppen
Die "Bild"-Lilli war die Inspiration für BarbieBild: Patrick Othoniel/JDD/Abaca/picture alliance

Lillis Sprüche lesen sich wie Einstiegsszenen eines Erotikfilms: Mal erzählt sie von einem Fernlastfahrer, der bei einer Autopanne "kräftig mit angefasst" hat, ihr Kleid voller öliger Handabdrücke. Mal neckt sie einen Polizisten am Strand, an dem zweiteilige Badeanzüge verboten sind, mit der Frage: "Welches Teil soll ich ausziehen?"

Wer hätte gedacht, dass die sexualisierte Karikatur mit der üppigen Oberweite und dem roten Kussmund eines Tages die Leben von Millionen Kindern verändern würde? Sicherlich nicht ihr Schöpfer Reinhard Beuthien, der Lilli 1952 innerhalb von 40 Minuten als Comicfigur in der ersten Ausgabe der "Bild"-Zeitung zeichnete, um eine Lücke in der Zeitung zu füllen. Jahre später wurde aus der "Bild"-Lilli Barbie - die wohl bis heute berühmteste Puppe der Welt. 

Heute sexistisch, damals frech und unabhängig

Laut "Bild"-Verleger Axel Springer war Lilli eine "kesse Sekretärin", doch diverse Quellen interpretieren sie eher als Luxus-Call-Girl oder Escort. Ob Sekretärin oder Escort, sicher ist: Als Kinderspielzeug war Lilli nicht gedacht. Denn mit ihren spärlich bekleideten Kurven, dem hohem blonden Zopf und den High Heels kam Lillis Ästhetik eher der eines Pin-up-Girls nahe. 

Heute würde man sagen: Sie entsprach dem Male Gaze, dargestellt als Lustobjekt, reduziert auf ihren Körper, ganz den Bedürfnissen ihrer männlichen Schöpfer und Betrachter entsprechend. Die "Bild" beschreibt sie heute trotzdem noch mit den Worten "frech, sexy, unabhängig!". 

Bei der überwiegend männlichen Leserschaft der Boulevard-Zeitung wurde Lilli schnell so beliebt, dass die "Bild" 1953 eine Plastikpuppe aus ihr machte. Zeitungsberichten zufolge war sie unter Männern ein beliebtes Geschenk, etwa für Junggesellenabschiede, verkauft in Tabakgeschäften, Bars und Kiosks.

Zwischen 1955 und 1964 brachte die "Bild" rund 130.000 Lillis mit diversen Outfits und Accessoires auf den Markt, um so auch eine weibliche Zielgruppe zu erreichen. Lilli wurde in kurzer Zeit zum Verkaufsschlager, sogar über deutsche Grenzen hinaus.

Ruth Handler machte aus Lilli Barbie

Vielleicht würde sie noch heute leicht bekleidet die Seiten der "Bild"-Zeitung zieren, so wie es unzählige echte, nackte "Bild-Girls" über Jahrzehnte hinweg taten - wäre da nicht Ruth Handler gewesen. Die Mitbegründerin der Spielzeugfirma Mattel entdeckte Lilli 1956 zufällig in einem Schaufenster bei einem Urlaub in Luzern in der Schweiz. Handler und ihre Tochter Barbara waren begeistert.

Barbie-Erfinderin Ruth Handler
Barbie-Erfinderin Ruth Handler bekommt einen Kuss von Schauspielerin Kristi CookeBild: Robert Clark/AP/picture alliance

Also ließ Handler mehrere Lillis nach Los Angeles schicken und kaufte schließlich die Rechte an ihr. 1959 kam Barbie - benannt nach Handlers Tochter Barbara und Lilli wohlgemerkt aus dem Gesicht geschnitten - auf den Markt und verkaufte sich seither mehr als eine Milliarde Mal.

Barbie eroberte trotz wiederkehrender Kritik von Feministinnen die Kinderzimmer Welt, und Lilli? Die "freche, unabhängige" Sekretärin heiratete 1961 ihren Freund Peter und verschwand gänzlich von der Bildfläche. 

DW Volontärin Djamilia Prange de Oliviera
Djamilia Prange de Oliveira Reporterin mit besonderem Fokus auf Frauenrechten, Kultur, Gesellschaftspolitik und Brasilien.