Umsturz in Bangladesch: Nach einem Jahr wenig Fortschritte
3. August 2025Insgesamt 20 Jahre lang war Sheikh Hasina Premierministerin von Bangladesch - in vier Legislaturperioden. Die heute 78-Jährige trat vor einem Jahr nach wochenlangen blutigen Protesten zurück. Die Menschen waren zuerst wegen eines umstrittenen Quotensystems für Regierungsjobs auf die Straße gegangen. Daraus entwickelte sich später eine Massenbewegung gegen die Regierung.
Nach ihrem Sturz am 5. August floh Sheikh Hasina nach Indien. Dort lebt sie bis heute. Andere führende Mitglieder ihrer Partei "Awami Liga" wurden im Zusammenhang mit den Protesten verhaftet oder sie tauchten unter.
Das südasiatische Land wird seit August 2024 von einer Expertenregierung um Friedensnobelpreisträger und Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus geführt. Dieser hatte sich zum Ziel gesetzt, im April 2026 Neuwahlen abzuhalten. Davor wollte er noch einige Verfassungsreformen und Änderungen im Wahlgesetz umsetzen und Fortschritte in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und auf die Pressefreiheit erzielen.
Ungewisse Zukunft
Die bisherige größte Oppositionspartei, die Bangladesch Nationalist Party (BNP), steht unter der Führung von Hasinas Rivalin und ehemaligen Premierministerin Khaleda Zia. Die BNP will die Neuwahlen schon im Februar 2026. Viele BNP-Spitzenkader, darunter Parteichefin Zia, waren wegen Korruption und Gewaltstraftaten inhaftiert. Laut BNP seien sämtliche Urteile während der Regierungszeit ihrer Rivalin Hasina politisch motiviert gewesen. Jetzt seinen alle Kader wieder auf freiem Fuß.
Nach der Flucht von Sheikh Hasina genieße man in Bangladesch wieder die volle politische Freiheit, sagt Abdus Salam, ein prominenter BNP-Kader im DW-Interview. "Im August 2024 mussten wir uns verstecken. Wir konnten nicht in unseren Häusern bleiben. Wir waren mit zahlreichen Gerichtsverfahren konfrontiert. Wir hatten kein normales Leben. Jetzt ist dieses Leiden endlich vorbei."
Ambia arbeitet in einer Textilfabrik in der belebten Hauptstadt Dhaka. Sie habe zwar die Studenten bewundert, die 2024 auf die Straße gingen und politischen Neuanfang gefordert hatten, erzählt sie im DW-Interview. Allerdings seien ihre Erwartungen nicht erfüllt worden. "Ich hatte gehofft, dass die Anarchie ein Ende haben würde", sagt Ambia. "Die politischen Parteien schaffen immer viele Probleme. Das habe ich nicht erwartet. Ich habe immer noch nicht das Gefühl der Sicherheit."
Islamisten auf dem Vormarsch?
Nach dem Sturz von Hasina haben islamistische Parteien in Bangladesch an Sichtbarkeit gewonnen. Die Übergangsregierung hob vor einem Jahr das Verbot der größten islamistischen Partei des Landes auf und machte damit eine Entscheidung der Regierung Hasina rückgängig.
Bis zu 20.000 Anhänger einer einflussreichen islamistischen Lobbygruppe hatten sich im Mai auf den Straßen von Dhaka versammelt. Die sogenannte Hefazat-e-Islam-Gruppe ("Schutz des Islams") besteht überwiegend aus Religionslehrern und Theologiestudenten. Sie protestierte gegen die Regierungsvorschläge zu gleichen Erbschaftsrechten für Frauen, Verbot der Vielehe und Anerkennung von Sexarbeiterinnen als arbeitnehmerähnliche Personen. Schon 2013 wollte die Gruppe mit einer Forderungsliste die Regierung zwingen, Gotteslästerung erneut unter Strafe zu stellen.
Schlechte Menschenrechtsbilanz
Wirtschaftlich konnte Bangladesch zwar einige Fortschritte verbuchen. Doch die Menschenrechtslage gebe weiterhin Anlass zur Sorge, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Die Übergangsregierung habe ihre Versprechen, die Menschenrechtssituation zu verbessern, nicht eingehalten.
"Die Übergangsregierung hat willkürliche Verhaftungen durchgeführt, um vermeintliche politische Gegner zu verfolgen, und keine systematischen Reformen zum Schutz der Menschenrechte durchgeführt. Die Hoffnung der Menschen, eine Demokratie aufzubauen, in der die Menschenrechte geachtet werden, bleibt unerfüllt", sagt Meenakshi Ganguly als stellvertretende Direktorin der Asienabteilung von HRW.
Bangladesch habe zwar die Menschenrechtsverletzungen nicht auf null reduzieren können, räumt Foyez Ahammad, stellvertretender Pressesprecher der Übergangsregierung, im DW-Interview ein. Es seien aber deutliche Fortschritte erzielt worden. "Beispielsweise sind Medienhäuser, die in der Vergangenheit geschlossen wurden, wieder in Betrieb." Die Menschen dürften ihre Meinung offen äußern, auch in den sozialen Medien, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. "Die Presse kritisiert sogar ihre eigene Regierung in staatlichen Rundfunkanstalten, was in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen war."
Frühere Regierungspartei fühlt sich verfolgt
Die Anhänger der geflüchteten Ex-Premierministerin Hasina stimmen diesen Behauptungen jedoch nicht zu und verweisen auf das harte Vorgehen der Übergangsregierung gegen ihre Partei "Awami Liga". Die Übergangsregierung hat alle politischen Aktivitäten der Awami Liga verboten - bis ein Sondergericht das Verfahren gegen die Parteiführung wegen Totschlages in hunderten Fällen während der Massendemonstration vor einem Jahr abgeschlossen haben wird. Auch Ex-Innenminister Asaduzzaman Khan und Ex-Polizeichef Chowdhury Abdullah Al-Mamun sitzen auf der Anklagebank.
So wolle Übergangsregierungschef Yunus "sein verfassungswidriges Regime an der Macht halten und Neuwahlen auf die lange Bank schieben", kritisiert Mohammad A. Arafat von der Awami Liga, der unter Hasina Informationsminister war. Yunus könne sich nur die Unterstützung der Islamisten und der National Citizen Party, eine neue Partei von jungen Studenten, die im Sommer 2024 gegen die damals regierende Awami Liga protestiert hatte, sichern, wenn er die Awami Liga verbiete. "Der einzige Weg für die Islamisten, ins Parlament zu kommen, ist das Verbot der Awami Liga", sagte Arafat im Mai.
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan