Automesse: Fahrende Computer in Shanghai
25. April 2025Die diesjährige Automesse startete unter ungünstigen Vorzeichen: Drei Menschen waren nur wenige Wochen vor Messebeginn ums Leben gekommen, als sie in einem Fahrzeug des chinesischen Tech-Konzerns Xiaomi einen Unfall hatten - und zwar bei aktiviertem Fahrassistenzsystem.
Die chinesischen Behörden reagierten umgehend und verboten Werbebegriffe wie 'autonomes Fahren', 'intelligentes Fahren' oder 'selbstfahrend'. Anschließend rückten auch viele Aussteller von ihren Ankündigungen zur autonomen Mobilität ab. Für alle Messebesucher sichtbar ist dieses Themas in den Hintergrund getreten.
Vorteil Deutschland?
Es gibt Beobachter, die in dieser aktuellen Stimmungslage einen Vorteil für deutsche Hersteller sehen: Ihr Image mag in den vergangenen Jahren gelitten haben - sie wirken im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz oft recht hausbacken und "unsexy". Aber sie gelten immer noch als zuverlässig und vor allem sicher.
Die deutschen Autoschmieden selbst halten sich mit diesem Argument allerdings zurück. Man will auch so auf den schwierigen asiatischen Märkten bestehen. Dabei sorgt sie der verschärfte Wettbewerb durch die zunehmende Konkurrenz großer Tech-Unternehmen.
"Das macht uns das Leben nicht leichter", sagte Volkswagen-Vorstandmitglied für China, Ralf Brandstätter, in Shanghai. VW sehe sich aber mit seinem Stand der Technik für China gut aufgestellt und sei in der Lage, seinen Teil des Marktes zu übernehmen.
Auch für den schwäbischen Hersteller Mercedes ist der Konkurrenzdruck gerade in Ostasien sehr hoch. China, so der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz, Ola Källenius, sei der wichtigste Markt für die Schwaben und wichtig für technische Neuerungen.
"Festival der Lernfähigkeit"
"Wir werden die effizientesten und intelligentesten Autos vorstellen, die wir je gebaut haben", so Källenius in Shanghai. Er versprach für die Zukunft "Supercomputer auf Rädern" - entwickelt in Zusammenarbeit mit chinesischen Konzernen.
So kooperiere man auch mit der Firma ByteDance, die hinter der Social-Media-App Tiktok steht. Man wolle, so der Mercedes-Chef, deren Modell für Künstliche Intelligenz in die eigenen Autos in China integrieren.
Die deutschen Konzerne fahren auf der Messe ihre "In China für China"-Strategie - und bekommen dafür sogar Lob. So sagte der Autoexperte Peter Fintl, die Messe gleiche einem "Festival der Lernfähigkeit der deutschen Industrie".
Jahrelang seien die Deutschen hinterhergefahren, weil sie den Trend zur Elektromobilität in China verschlafen hatten. Doch inzwischen seien sie besser aufgestellt. "Sie nehmen die Kampfansage an und klotzen richtig ran", hat Auto-Expertin Beatrix Keim vom Center Automotive Research (CAR) beobachtet.
Chinas Auf dem Weg nach Westen
Während es für die Deutschen überlebenswichtig ist, sich im fernen Osten zu etablieren, verlieren umgekehrt auch die Chinesen Deutschland nicht aus dem Blick. So plant der chinesische Autobauer Nio in Deutschland und Europa zu bleiben - trotz sehr niedriger Verkaufszahlen.
"In Europa hat die Kundenzufriedenheit für uns höchste Priorität", sagte Nio-Vorstand William Li in Shanghai. Und da sei es egal, ob man Tausende oder Hunderte von Kunden hätte.
Weltweit betreibe das Unternehmen bereits mehr als 185 "Nio Houses", meist in prominenter Lage. In China können Nio-Kunden in diesen Häusern Autos kaufen, es gibt aber auch Angebote zur Kinderbetreuung, Arbeitsmöglichkeiten oder ein Café.
Große Hoffnung setzt Nio auf den neuen Kleinwagen 'Firefly'. Der soll in der zweiten Jahreshälfte auf den europäischen Markt kommen und vor allem Kunden in Großstädten ansprechen. Das unter anderem in Deutschland entwickelte und in China gebaute Fahrzeug wäre derzeit aber auch von den Zöllen der EU auf chinesische E-Autos betroffen. Ein genauer Preis für den deutschen Markt steht noch nicht fest.
Schlaue Autos sollen Spaß machen
Dass der Antrieb der Zukunft ohne die Verbrennung fossiler Kraftstoffe und stattdessen elektrisch funktioniert, ist längst keine Frage mehr. Neue Autos sind natürlich emissionsfrei unterwegs, entscheidend ist jetzt: Was bieten sie den Kunden an Spaß, Komfort und Sicherheit?
In Shanghai werben die Hersteller etwa mit der Möglichkeit, auf der Rückbank Computerspiele zu spielen. Das eigene Smartphone - egal ob Android oder IOS, ob Apple oder Huawei - ist nahtlos integrierbar. Auch KI-gesteuerte Sprachassistenten, auch auf Basis des chinesischen Unternehmens DeepSeek, werden gezeigt.
Bereits vor der Messe hatte Chinas Branchenprimus BYD mit dem neuen Assistenzsystem "God's Eye" Aufsehen erregt. Der teilautonome Fahrassistent wird erstmals serienmäßig in allen neuen BYD-Modellen verbaut - von der Luxusmarke Yangwang bis zum günstigen Kleinwagen Seagull. Ziel sei es, solche Systeme für jedermann erschwinglich zu machen.
Einige Hersteller buhlen auch mit unüblichen Gefährten oder exotischen Ideen um die Aufmerksamkeit der Messebesucher. Deren Fahrzeuge brauchen nicht einmal eine Straße. So präsentieren etwa die chinesische Traditionsmarke Hongqi und der Batterie-Hersteller CATL Konzepte für Fluggeräte, sogenannte eVTOL. Die sollen senkrecht starten und landen können - und natürlich elektrisch angetrieben sein.