"Ausländische Agenten"? Georgiens Medien unter Druck
12. April 2025Medienschaffende und Vertreter der Zivilgesellschaft in Georgien sind besorgt. Anfang April verabschiedete das georgische Parlament, das vollständig von der regierenden Partei "Georgischer Traum" kontrolliert wird, ein neues Gesetz zur Registrierung "ausländischer Agenten" sowie Änderungen des Rundfunkgesetzes. Demzufolge ist es Medien und Nichtregierungsorganisationen in Georgien nun faktisch verboten, ausländische Gelder anzunehmen. Wenn sie dies tun, müssen sie sich in einem speziellen Register eintragen und von den Behörden kontrollieren lassen. Zudem werden die Befugnisse der staatlichen "Kommunikationskommission" ausgeweitet, die für die Regulierung von Inhalten zuständig ist.
Das werde die unabhängige Arbeit der Journalisten im Land unmöglich machen, sagen Kritiker. Das internationale Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) erklärte, die Änderungen seien "ein Versuch, die Pressefreiheit unter dem Vorwand nationaler Sicherheitsbedenken einzuschränken". Der georgische Journalistenverband bezeichnete die Änderungen als "direkte Bedrohung für die Unabhängigkeit der Medien".
Ferner haben die Behörden angekündigt, für Internetmedien noch separate Gesetzesänderungen zu beschließen.
Zensur oder Sicherheitsmaßnahmen?
Die Behörden erklärten, dass die Gesetzesänderungen "hohe Standards" in den Medien festlegen und die "Verbreitung von Desinformation" verhindern sollten. Zudem seien sie notwendig, um die georgische Gesetzgebung an internationale Standards anzupassen. "Das ist keine Zensur, sondern der Schutz nationaler Interessen", erklärte der georgische Premierminister Irakli Kobachidse.
Kritiker weisen hingegen darauf hin, dass sich mit solchen Formulierungen leicht Druck auf unbequeme Redaktionen ausüben ließe, die die Regierung nicht unterstützen und aktiv über die proeuropäischen Proteste in Georgien berichten.
"Vertreter der Regierungspartei haben darauf hingewiesen, sie hätten bei der Änderung des Rundfunkgesetzes lediglich ein ähnliches Gesetz in Großbritannien kopiert, doch ein Teil der Zivilgesellschaft und Journalisten halten dieses Beispiel für falsch", sagt der Moderator des privaten TV-Senders Formula, Giorgi Targamadse, der DW.
Ihm zufolge ist der britische Ansatz nicht auf Georgien übertragbar, da es kein unabhängiges Justizsystem habe. Alles würde nun in die Zuständigkeit staatlicher Stellen, insbesondere der Kommunikationskommission, fallen. "Diese Kommission wird dazu dienen, die Sendeinhalte der georgischen Medien zu kontrollieren", glaubt Targamadse.
Die Regierungspartei sagt außerdem, das Gesetz zur Registrierung "ausländischer Agenten" ähnele dem amerikanischen Gesetz FARA (Foreign Agents Registration Act), das Organisationen, die die Interessen ausländischer Staaten vertreten, dazu verpflichtet, ihre Aktivitäten gegenüber dem Justizministerium der USA offenzulegen.
Ein großer Teil der georgischen Zivilgesellschaft argumentiert jedoch: Während das amerikanische Gesetz auf die Kontrolle von Lobbyorganisationen abziele, richte sich die georgische Version gegen Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen.
"Das Gesetz bedroht den unabhängigen Journalismus in Georgien"
Auch Nanuka Schorscholiani, Journalistin und Moderatorin beim regierungskritischen Sender TV Pirveli, glaubt, dass die neuen Änderungen darauf abzielen, Medien zum Schweigen zu bringen, die nicht von den Behörden kontrolliert werden. "Das bedroht den unabhängigen Journalismus, indem es der Regierung eine übermäßige Kontrolle über die Sendeinhalte gewährt. In Wirklichkeit ist es ein Instrument zur Unterdrückung von Kritik", sagt sie im DW-Gespräch.
Laut Schorscholiani machen Beschränkungen bei der ausländischen Medienfinanzierung in Georgien die Arbeit unabhängiger Fernsehsender praktisch unmöglich. "Ich habe für Mtavari TV gearbeitet, das aus finanziellen Gründen schließen musste. Jetzt steht TV Pirveli, wie andere unabhängige Sender auch, vor erheblichen Problemen", betont sie.
Ein weiterer Punkt, der die Arbeit der Medien erschwere, ist laut Schorscholiani die Verpflichtung, auf Anfrage der Behörden Informationsquellen offenzulegen. "Ohne Vertraulichkeit werden Quellen Angst haben, mit Journalisten zu sprechen. Wenn beispielsweise jemand von einer Behörde illegale Regierungsmaßnahmen aufdecken möchte oder ein Opfer häuslicher Gewalt sich anonym äußern will, dann können Journalisten keinen Quellenschutz mehr garantieren", so die Fernsehmoderatorin.
Bei Missachtung der Registrierung drohen Haftstrafen
Das Gesetz zur Registrierung "ausländischer Agenten" gilt nicht nur für Organisationen, sondern auch für Einzelpersonen. Während die vorherige Version Geldstrafen vorsah, sieht die neue Fassung eine strafrechtliche Ahndung vor - fünf Jahre Gefängnis bei Missachtung, sich als "ausländischer Agent" eintragen zu lassen, erläutert die Chefredakteurin von JAMnews, Margarita Achwlediani, der DW. Das Portal gibt es seit 2018, es bringt Nachrichten und Analysen aus dem gesamten Südkaukasus in fünf Sprachen.
Getroffen wird JAMnews zudem von der von US-Präsident Donald Trump angeordneten Schließung der Entwicklunngsbehörde USAID. Dies hat den Stopp von Zuschüssen für viele unabhängige Medien weltweit zur Folge.
Laut Achwlediani dürften sich viele Journalisten bei einer Schließung von JAMnews zivilem Aktivismus zuwenden, doch das sei weniger effektiv. Die georgischen Journalisten hofften, dass der Westen die georgische Regierung nun politisch unter Druck setze.
Reaktion der internationalen Gemeinschaft
Anfang April kritisierte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in einer Erklärung die neuen georgischen Vorschriften. Auch die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, und die EU-Erweiterungskommissarin, Marta Kos, stellten in einer gemeinsamen Erklärung fest, dass die Schritte der georgischen Regierung "die Grundlagen der Demokratie in Georgien untergraben und grundsätzlich unvereinbar mit den Werten der EU sind".
Obwohl die EU angeboten hatte, Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Medien finanziell zu helfen, sei darüber noch keine Entscheidung getroffen worden, bemerkt Giorgi Targamadse von Formula TV. "Unsere Journalisten, Kameraleute, Moderatoren und Redakteure arbeiten seit Monaten ohne Gehalt. Alle Finanzmittel sind erschöpft. Wir brauchen jetzt Unterstützung, bevor wir schließen müssen", so Targamadse.
Laut einem aktuellen Bericht der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen hat sich die Lage der Medienfreiheit in Georgien rapide verschlechtert. Im Ranking der Organisation fiel Georgien um 26 Plätze zurück und belegt nun Platz 103 unter 180 Ländern. Im Jahr 2023 belegte es noch den 77. Platz.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk