Aus alter Verpflichtung
16. Dezember 2002Seit Mitte September liefern sich aufständische Soldaten und Regierungs-Truppen in Elfenbeinküste bewaffnete Kämpfe. Die Rebellen fordern Gleichberechtigung für die moslemische Bevölkerungs-Mehrheit im Norden, die sich von der Regierung von Präsident Laurent Gbagbo vernachlässigt fühlt. Der Konflikt wird zunehmend internationalisiert. Frankreich verlegt Truppen an die Front, die Rebellen werden von Nachbar-Staaten unterstützt.
Rüsten für einen Krieg
Alle Parteien rüsten für einen größeren Krieg. Die Regierung hat in der letzten Woche Tausende junge Männer für den Kampf gegen die Rebellen im Norden und im Westen angeworben. Die Rebellen taten das Gleiche. Und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich - sowieso schon mit 1.200 Soldaten im Land - schickte am Wochenende 150 Legionäre als Verstärkung.
Die französische Armee soll die gewählte Regierung unter Laurent Gbagbo vor den Rebellen schützen und notfalls auch zurückschießen. Das ist die neue Linie Frankreichs in dem Konflikt. Bisher hatten die Soldaten lediglich die Aufgabe, Ausländer in der Elfenbeinküste zu schützen und einen Puffer zwischen Regierungs-Truppen und Rebellen zu bilden.
Letzte Chance?
In der Rebellen-Hochburg Bouake im Zentrum des Landes, demonstrierten am Wochenende bereits Tausende Menschen gegen die französische Präsenz, dabei soll es Verletzte gegeben haben. Die gesamte Krise in der Elfenbeinküste lässt sich auf den Namen eines Mannes reduzieren: Alassane Ouattara. Um den populären Oppositions-Führer aus dem Norden von den Präsidentschaftswahlen 1995 fernzuhalten, hatte der damalige Präsident des Landes Bédié das Wahl-Recht geändert: Beide Eltern-Teile der Kandidaten mussten Bürger der Elfenbeinküste sein.
Ouattaras Vater stammt aus Burkina Faso. Er hat dies mit Millionen Bürgern der Elfenbeinküste gemeinsam. Das Land ist das Einwanderungs-Land Westafrikas. Auf den Kakao- und Kaffee-Plantagen arbeiten Millionen Menschen aus den Nachbar-Ländern Mali, Burkina Faso, Liberia oder Ghana. Teilweise sind sie seit Generationen im Land, besitzen Häuser und Grundstücke.
Ivorische Doktrin
Das Wahl-Gesetz und diese Doktrin der "Ivorität" spalten das Land seit Jahren. Daran hat auch der jetzige Präsident, Laurent Gbagbo, nichts geändert. Die - eigentlich nur von unzufriedenen Soldaten Mitte September losgetretene - Rebellion bekommt ihre politische Macht aus dem Gefühl vieler Menschen - mit Wurzeln in den Nachbarländern - benachteiligt zu sein.
Pulverfass
Zur Zeit ist die Elfenbeinküste ein Pulverfass, das gleich mehrere Nachbar-Länder mit in den Abgrund reißen könnte. Der Staatspräsident Benins, Matthieu Kerekou, drückte das am Wochenende im französischen Rundfunk so aus: "Man kann nicht zulassen, dass die Elfenbeinküste im Chaos versinkt. Sie wissen sehr gut, dass aus allen Nachbar-Staaten viele Bürger in der Elfenbeinküste leben."
Ein Krieg in der Elfenbeinküste würde Hunderttausende Burkinabe über die Grenze treiben: Ohne Einkommen, ohne Arbeit. Eine Katastrophe für das Land. Die wirtschaftlichen Folgen für die gesamte Region sind nicht abzusehen. Die Elfenbeinküste ist das mit Abstand wichtigste Land der gesamten westafrikanischen Wirtschafts-Gemeinschaft vom Senegal bis an die Grenze Nigerias. "Wenn heute die Elfenbeinküste - die alleine 40 Prozent des Geld-Kreis-Laufs der westafrikanischen Währungs-Gemeinschaft ausmacht - gerade in der Ernte-Periode ihre Produkte nicht mehr verkaufen kann, dann wird uns das alle teuer zu stehen kommen", sagte Kerekou. "Schließlich haben wir die gleiche Währung. Das kann selbst in Nachbarländern zu Unruhen führen."
Frankreich, dass sich bisher mit seinen über 1.200 Soldaten in der Elfenbeinküste einigermaßen neutral verhalten hat, hat sich am Wochenende (14./15.12.) nun offen auf die Seite der Regierung gestellt, gleichzeitig aber auch eine Friedens-Konferenz in Paris angeboten.