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Aufruhr der Zigeuner im bulgarischen Plowdiw

21. Februar 2002

– Staatliche Stromgesellschaft schaltete Strom ab, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden

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Sofia, 21.2.2002, 1010 GMT, RADIO BULGARIEN, deutsch

In Stolipinowo, einem Zigeunerviertel der südbulgarischen Stadt Plowdiw, ist es zu einem Aufruhr gekommen, als sich die örtliche Stromgesellschaft genötigt sah, massenweise den Strom abzuschalten, nachdem die Bewohner um die drei Millionen Euro an Rechnungen nicht tilgten.

Das Plowdiwer Wohnviertel Stolipinowo kann mit gutem Grund als europäische Hauptstadt der Zigeuner bezeichnet werden, weil nirgendwo anders auf dem Alten Kontinent so viele Vertreter dieser ethnischen Gemeinschaft an einem Ort leben. Im Augenblick leben in diesem Viertel schätzungsweise 30 000 Zigeuner. (...) Die meisten Zigeuner besitzen einen extrem niedrigen Bildungsgrad und haben kaum eine geregelte Tätigkeit. Laut Angaben des hiesigen Arbeitsamtes sind 90 Prozent der Bewohner in Stolipinowo arbeitslos. (...)

In den Zeiten des Sozialismus waren die sozialen Zuschüsse so zu bemessen, dass die Zigeuner sich ernähren und auch ihre Rechnungen bezahlen konnten. Nach der Wende von 1989 ging man in Bulgarien zur Marktwirtschaft über, die Mindergebildeten und Arbeitslosen hatten kaum eine Chance. Und so haben die Bewohner von Stolipinowo seit zwölf Jahren keine Stromrechnungen mehr bezahlt. Immer wenn die Elektrizitätsgesellschaft versucht hat, durch Stromabschaltungen die Verbraucher dazu zu bewegen, ihre Rechnungen zu begleichen, kam es zum Massenaufruhr. (...) Das Problem mit den unbezahlten Rechnungen wurde nicht gelöst. Mittlerweile sammelte sich eine Schuldensumme von insgesamt etwa drei Millionen Euro an, was die Geduld der Elektrizitätsgesellschaft erschöpfte. Allein für den Januar dieses Jahres schulden die Zigeuner von Stolipinowo ca. 150 000 Euro für verbrauchten Strom, nur 0,18 Prozent aller Rechnungssummen werden beglichen. Und so kam es zur nächsten Stromabschaltung, was zu Massenkrawallen führte. (...) Die aufgebrachten Zigeuner forderten die Wiederherstellung der Stromversorgung, andernfalls drohten sie an, die nahgelegene Eisenbahnstrecke zu blockieren. (...) Die Plowdiwer Polizei wurde Herr der Lage und nach vierstündigen Verhandlungen zwischen der Elektrizitätsgesellschaft, dem Bürgermeister und dem Regionalleiter der Stadt kam es erneut zu einer Kompromisslösung. Nachdem etwa 3000 Euro eingezahlt wurden, wurde der Strom wieder angeschaltet. (...) (fp)