Auflösung der PKK: Hoffnung auf Frieden
27. Februar 2025Es wurde bereits als "eine historische Erklärung" des inhaftierten PKK-Führers angekündigt. Nun hat Abdullah Öcalan zur Auflösung der verbotene Arbeiterpartei Kurdistans und zum Gewaltverzicht aufgerufen. Öcalan forderte seine Anhänger in einer Erklärung dazu auf, nach dem jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen der PKK und dem türkischen Staat ihre Waffen niederzulegen. Was man zum türkisch-kurdischen Konflikt wissen muss:
Die PKK: Eine Organisation im Fokus
Die Abkürzung PKK steht für "Partiya Karkerên Kurdistan", was auf Deutsch "Arbeiterpartei Kurdistans" bedeutet. Gegründet wurde sie 1978 mit dem ursprünglichen Ziel, einen unabhängigen, sozialistisch orientierten Kurdenstaat im Nahen Osten zu errichten. Später rückte die PKK von diesem Maximalziel ab.
Seitdem strebt sie die Anerkennung der kurdischen Identität sowie eine politische und kulturelle Autonomie der Kurden in ihren Siedlungsgebieten an. Dabei geht es insbesondere um die Regionen im Südosten der Türkei, im Nordirak und im Norden Syriens, deren Grenzen die PKK nicht mehr verrücken will. Kurden sind mit geschätzten 25 bis 30 Millionen das größte Volk ohne eigenen Staat. Sie leben in der Türkei, im Irak, Iran und Syrien.
Die PKK ist eine Guerillaorganisation, die seit 1984 einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat führt. Ihre militärische Führung befindet sich in den Kandil-Bergen im Irak. In der Türkei, der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten ist die PKK als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland ist sie bereits seit 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt.
Deutschland beherbergt eine große kurdische Diaspora. Nach Angaben deutscher Sicherheitsbehörden hat die PKK in Deutschland etwa 14.500 Anhänger und ist damit die mitgliederstärkste Organisation im Bereich des auslandsbezogenen Extremismus.
Im bewaffneten Konflikt zwischen der PKK und dem türkischen Staat sind schätzungsweise mehr als 40.000 Menschen uns Leben gekommen, darunter viele Zivilisten. Aufgrund der Stärke der gut ausgerüsteten türkischen Armee zogen sich in den vergangenen zehn Jahren die meisten PKK-Kämpfer aus der Türkei zurück. Trotzdem kam es auch weiterhin zu Angriffen auf türkisches Gebiet - überwiegend ausgeführt von PKK-Stellungen im Irak und in Syrien. Bis heute erkennt die Guerillaorganisation Abdullah Öcalan als ihren Führer an.
Wer ist Abdullah Öcalan?
Abdullah Öcalan, auch bekannt als Apo, ist der Gründer der PKK. 1979 ging er nach Syrien, um von dort aus den kurdischen Unabhängigkeitskrieg vorzubereiten. In der libanesischen Bekaa-Ebene, die damals von Syrien kontrolliert wurde, errichtete er das Hauptquartier der PKK. Nach dem Militärputsch von 1980 in der Türkei folgten ihm viele Aktivisten in die PKK-Camps dorthin.
1998 musste Öcalan auf Druck der Regierung in Ankaras Syrien verlassen. Es folgte eine Odyssee, bei der kein Land bereit war, ihn aufzunehmen. Schließlich wurde er 1999 in Nairobi, Kenia, vom türkischen Geheimdienst festgenommen.
In der Türkei wurde Öcalan wegen Hochverrats, Gründung einer Terrororganisation und Separatismus zum Tode verurteilt. Später wurde das Urteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Seitdem sitzt Öcalan in Isolationshaft auf einer Gefängnisinsel im Marmarameer bei Istanbul. Auch seiner Familie und seinen Anwälten wurde selten erlaubt, ihn zu besuchen.
Nach fast zehn Jahren durfte Öcalan Ende des vergangenen Jahres eine Delegation der prokurdischen Oppositionspartei DEM im Gefängnis empfangen. Die DEM, die "Partei der Völker für Gleichberechtigung und Demokratie" war früher unter den Kürzeln HADEP beziehungsweise später HDP bekannt.
Auch wenn er seit 1999 nie wieder in der Öffentlichkeit zu sehen war, genießt der heute 76-jährige Öcalan unter seinen Anhängern weiter großes Vertrauen.
Wird die PKK Öcalans Aufruf folgen?
Für Vahap Coskun, Direktor des Instituts für Politik- und Sozialforschung in Diyarbakir, ist Abdullah Öcalan die zentrale Autorität. Sein Wort hat weiterhin höchstes Gewicht. Coskun, der auch Mitglied des türkisch-kurdischen Weisen Rats während des Friedensprozesses von 2013 bis 2015 war, identifiziert vier entscheidende Akteure in der kurdischen Frage: die militärische Führung in den Kandil-Bergen im Irak, die europäische Repräsentanz in Brüssel, die Selbstverwaltung im syrischen Rojava und die prokurdische Partei DEM. Diese Akteure haben in den vergangenen Wochen wiederholt betont, dass nur Öcalan eine Lösung des Kurdenkonflikts herbeiführen könne.
Öcalan hat sich in den vergangenen Wochen mit Briefen an die genannten Akteure in Europa, Rojava und Kandil gewandt, in denen er seine Ansichten formulierte. Gleichzeitig haben diese Akteure signalisiert, dass sie seine Entscheidung anerkennen werden.
Öcalan sei sich bewusst, dass seine Autorität nur dann wirksam ist, wenn sie anerkannt wird, betont Politologe Coskun. Andernfalls riskiere er, seine Macht und Glaubwürdigkeit zu verlieren. Daher sei sich Öcalan sicher, dass seinem Aufruf Folge geleistet wird.
Frühere Friedensinitiativen
Die erste Friedensinitiative zwischen der PKK und der türkischen Regierung begann 2009. Im Auftrag des damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan führte Geheimdienstchef Hakan Fidan 2010 und 2011 Gespräche mit PKK-Vertretern in Norwegens Hauptstadt Oslo. Diese Verhandlungen scheiterten.
Cengiz Candar, Journalist und heutiger Abgeordneter der prokurdischen DEM-Partei, vermutet, dass diese Initiative von der Gülen-Bewegung sabotiert wurde, die sich zu jener Zeit bereits einem Machtkampf mit Erdogans AKP lieferte.
2013 wurde ein zweiter Friedensprozess initiiert, in dem der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan und die DEM-Vorgängerin HDP zentrale Rollen spielten. Beim kurdischen Neujahrsfest Newroz 2013 wurde ein Brief Öcalans vor Tausenden Menschen in Diyarbakir im Südosten der Türkei verlesen, was Hoffnungen auf Frieden weckte.
Die prokurdische HDP gewann in dieser Zeit an Zustimmung, unterstützte den Friedensprozess und forderte aber gleichzeitig von Erdogan die Verbesserung der Grundrechte der Kurden und Oppositionellen. Bei den Parlamentswahlen 2015 erreichte sie über 13 Prozent, wodurch die AKP erstmals ihre absolute Mehrheit verlor. Kurz darauf beendete Erdoğan den Friedensprozess.
Vahap Coskun Instituts für Politik- und Sozialforschung in Diyarbakir ist der Ansicht, dass beim Scheitern der Friedensverhandlungen auch die damaligen Entwicklungen in Syrien eine wesentliche Rolle gespielt habe. Im Verlauf des Bürgerkrieges gab zu jener Zeit die syrische Regierung die Kontrolle über Gebiete im Norden auf. Daraufhin übernahmen dort PKK-nahe lokale kurdische Kräfte die Kontrolle. Aus Sicht des türkischen Staats war das eine gefährliche Entwicklung. Der Friedensprozess wurde beendet, und es begann eine Zeit mit zahlreichen Rückschlägen und Repressionen für die Kurden, so Coskun weiter.
Welche Rolle spielt die Lage im Nahen Osten bei einem möglichen neuen Friedensprozess mit der PKK?
"Die dynamische Lage im Nahen Osten stellt für die Türkei sowohl eine Gefahr als auch eine Chance dar", sagt Experte Coskun. Insbesondere die Entwicklung im südlichen Nachbarland Syrien nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad spiele "eine entscheidende Rolle". Mit ihrer aktuellen Initiative wolle die türkische Regierung verhindern, dass die PKK und kurdische Kräfte gestärkt aus dieser Situation hervorgehen. Zudem sieht die Türkei in der möglichen Schwächung des Iran eine Chance, sich als stärkster politischer und wirtschaftlicher Akteur in der Region zu etablieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse der bewaffnete Konflikt mit der PKK beendet werden, so Coskun.
Um möglichst auch die Kurden im Irak einzubeziehen, war vor wenigen Tagen eine Delegation der prokurdischen DEM-Partei in die Autonomen Region Kurdistan im Nordirak gereist. Die türkischen Oppositionspolitiker führten dort Gespräche mit Masrur Barzani, dem Premierminister der Region. Auch er hat sich bereit erklärt, eine friedliche Lösung zu unterstützen.
Den aktuellen Friedensbemühungen zum trotz verschärfte die türkische Regierung in letzter Zeit ihr Vorgehen gegen Kurden und Oppositionelle. Innerhalb einer Woche wurden 340 Politiker, Rechtsanwälte, Menschenrechtler und Journalisten unter Terrorvorwürfen inhaftiert. Darüber hinaus auch nach den jüngsten Kommunalwahlen wurden zahlreiche gewählte Bürgermeister der prokurdischen DEM-Partei sowie der größten Oppositionspartei CHP abgesetzt und festgenommen.