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Glaube

Auf der Suche nach dem Guten im Menschen

15. August 2025

Auf der Welt herrschen Kriege. Eine Krise jagt die Nächste. Wie kann man bei all dem Schlechten auf der Welt an das Gute im Menschen glauben? Ein Beitrag der katholischen Kirche.

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Verschlossene Zellentüren in einer Justizvollzugsanstalt
Verschlossene Zellentüren in einer JustizvollzugsanstaltBild: Thomas Eisenhuth/IMAGO

Glauben Sie, dass der Mensch im Grunde gut ist? Ein Buch von Rutger Bregmann aus dem Jahre 2019 hat meinen Blick auf diese Frage für immer geändert. Als Christin bin ich natürlich dazu angehalten, an das Gute im Menschen zu glauben, jedoch gibt es in der katholischen Kirche auch die Lehre von der Erbsünde.

Die besagt, dass der Mensch zu Gutem fähig, aber der Sünde zugeneigt ist. Im biblischen Schöpfungsbericht leben die ersten Menschen, Adam und Eva, zunächst in einer harmonischen Welt, im direkten Kontakt mit Gott. Als sie sich bewusst gegen Gottes Gebot stellen und von der verbotenen Frucht essen, bricht das Vertrauen - sie beginnen, sich zu schämen, sich zu verstecken und Schuld aufeinander zu schieben.

In der klassischen christlichen Auslegung zeigt diese Geschichte also, dass der Mensch nicht von Natur aus immer das Gute wählt, sondern auch zur Selbstsucht und zum Brechen von Regeln neigt - und deshalb auf göttliche Hilfe angewiesen ist.

In der traditionell-christlichen Sicht gehen wir also nicht wie Rutger Bregmann davon aus, dass der Mensch im Grunde gut ist. Denn seit dem Sündenfall trägt der Mensch eine Neigung zum Bösen in sich. Doch was sehe ich, wenn ich in diese Welt blicke?

Ich sehe viel Kriminalität, Menschen in Machtpositionen, die Kriege führen und Menschenleben auf dem Gewissen haben. Aus dieser Perspektive fällt es schwer, an das Gute im Menschen zu glauben.

Doch wenn ich zu meinen Nächsten blicke, dann werde ich optimistischer. Ich sehe Menschen, die einander lieben und für ihre Nächsten alles tun würden. Vor allem in einer Kirchengemeinde kann man oft erleben, was Gemeinschaft und Nächstenliebe bedeutet.

Doch jeder Mensch hat auch schon einmal Schlechtes getan. Oft kann ich aber in diesem Handeln einen Grund oder sogar eine positive Absicht erkennen. Wenn ich zum Beispiel an eine Mutter denke, die klaut, um ihren Kindern etwas zu Essen kaufen zu können, dann sehe ich da auch eine Mutter, die ihre Kinder liebt und für sie alles geben würde, auch wenn ich die Tat des Klauens erstmal verurteile.

Ich selbst wurde auch schon mal beklaut. Mein erster Gedanke nach diesem Ereignis war: "Wie können Menschen nur so schlecht sein?" Doch mein zweiter Gedanke war dann: "Wer weiß in welch schwierigen Situation der Mensch ist und warum er das tut." In solchen Momenten versuche ich mich immer an das Buch von Rutger Bregmann zu erinnern. Denn tief in meinem Innern glaube ich ihm. Der Mensch ist im Grunde gut und die Welt macht ihn erst schlecht.

Und dieser Gedanke ist für mich kein Widerspruch mit der christlichen Überzeugung des Sündenfalls. Der Mensch hat das Potenzial gut zu sein und Gutes zu tun. Er ist jedoch auch der Gefahr der Sünde ausgesetzt. Nicht ohne Grund beten wir im Vater unser "Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen".

Wenn wir aber dem Menschen mit der Einstellung begegnen, dass er schlecht ist, dann kann dabei selten etwas Gutes bei herauskommen. Doch was würde passieren, wenn wir den Menschen mit der Einstellung begegnen, dass er gut sei.

Wenn wir Menschen positiv gegenübertreten, dann kann auch Positives zurückkommen. Doch wenn wir Menschen stets negativ begegnen, wird uns auch Negativität widergespiegelt werden.

Das sieht man oft im Kleinen, direkt vor der Haustür. Viele Menschen haben einen Zwist mit ihrem Nachbarn. Dann regt man sich darüber auf, dass die Hecke nicht ordentlich geschnitten ist oder der Rasen zu hoch und wild gewachsen ist. Dann begegnen sich die Nachbarn plötzlich mit so einer Negativität, dass daraus nur ein Streit resultieren kann. Doch was ist, wenn ich die Perspektive einmal weite.

Vielleicht gibt es einen Grund dafür, dass der Garten nicht wunderbar gepflegt ist. Vielleicht geht es meinem Nachbarn gerade schlecht oder er hat schlichtweg keine Zeit dafür. Wenn ich einen Schritt weiterdenke, kann ich dem Nachbarn wieder positiver begegnen. Denn vielleicht ist er gar nicht so schlecht, wie ich meine.

Oft machen wir uns selbst zu schnell ein Bild von einem Menschen und gehen direkt vom Schlimmsten aus. Besonders, wenn wir die Einstellung haben, dass jeder Mensch schlecht ist.

Natürlich lassen sich so die grausamen Taten auf dieser Welt nicht entschuldigen und manch ein Mensch mag einfach böse sein. Doch wir dürfen den Glauben an das Gute bei all dem Schlechten nicht verlieren. Und wir dürfen nie aufhören Liebe in die Welt zu tragen.

Denn auch und gerade im christlichen Glauben kann der Mensch gut sein und diese Hoffnung trägt uns.

Kurzvita: Susanna Juchem, geboren 1997 in Neuwied. Aufgewachsen in Neuwied-Heimbach-Weis. Bachelorstudium der französischen Kulturwissenschaft und interkulturellen Kommunikation an der Universität des Saarlandes und Masterstudium der demokratischen Politik und Kommunikation an der Universität Trier. Seit Oktober 2023 Volontärin bei der Katholischen Hörfunk- und Fernseharbeit über die katholische Journalistenschule (IFP) in München.

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.