Asyl: Hat die CDU die Brandmauer zur AfD eingerissen?
27. Januar 2025Verfassungsbruch, Erpressung, Tabubruch? Die Anträge, die der Kanzlerkandidat der konservativen deutschen Parteien CDU und CSU, der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, jetzt in den Bundestag einbringen will, spalten die Parteien der demokratischen Mitte. Und sorgen für helle Empörung bei den verbliebenen Regierungsparteien Sozialdemokraten und Grüne. Es wird, soviel steht fest, eine denkwürdige und aufregende Woche im politischen Berlin.
Merz: "Mir egal, wer da zustimmt"
Nachdem in der vergangenen Woche zwei Menschen in der bayerischen Stadt Aschaffenburg bei einer Messerattacke starben und der mutmaßliche Täter aus Afghanistan stammt, legte Merz einen Fünf-Punkte-Plan für eine erheblich verschärfte Asyl- und Migrationspolitik vor.
Merz kündigte seitdem mehrfach an, dass es ihm egal sei, wer diesem Antrag im Bundestag zustimme. Das gilt dann wohl auch für die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD). Dass das Thema Asyl und Migration den Menschen in Deutschland unter den Nägeln brennt, zeigen auch Umfragen wie der ARD-Deutschlandtrend, der nach dem Anschlag von Magdeburg, aber vor der Bluttat von Aschaffenburg erhoben wurde.
Der CDU-Unvereinbarkeitsbeschluss von 2018
Eigentlich gilt in der CDU der so genannte Unvereinbarkeitsbeschluss vom Dezember 2018, wonach die Partei Koalitionen und andere Formen der Zusammenarbeit mit den Rechts-Populisten der AfD kategorisch ausschließt. In den politischen Debatten hat sich dafür der Begriff der "Brandmauer" zwischen Union und AfD etabliert.
Merz sagte am Wochenende im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF), dass das immer noch gelte: "Wir machen in der Unionsfraktion das, was wir in der Sache für richtig halten. Und wenn die AfD zustimmt, dann stimmt sie zu. Wenn sie nicht zustimmt, soll sie es bleiben lassen. Es gibt keine Gespräche, es gibt keine Verhandlungen, es gibt keine gemeinsame Regierung. Ich kann den Bundeskanzler beruhigen."
Scholz: Zweifel an der Fähigkeit von Merz als Kanzler
Denn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor in der ARD gesagt: "Wenn jetzt der Oppositionsführer vorschlägt, dass der deutsche Bundeskanzler Dinge tun soll, die mit der Verfassung dieses Landes und mit den europäischen Verträgen nicht vereinbar sind, dann sagt das etwas über seine Befähigung, ein hohes Amt in Deutschland auszuüben."
Am Montag legte Merz dann noch einmal nach und bekräftigte seinen Plan, die Anträge noch in dieser Woche einzubringen. Es sei an der Zeit, endlich in der Sache zu entscheiden. Und es liege an SPD und Grünen, welche Mehrheiten schlussendlich zustande kämen.
FDP signalisiert Zustimmung zur Asylverschärfung
Hintergrund der Aufregung: Seit dem Scheitern der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP im vergangenen November wird Deutschland nur noch von den Sozialdemokraten von Olaf Scholz und den Grünen regiert. Diese Regierung hat im Parlament keine Mehrheit mehr. Die Anträge von Merz, die Asylpolitik zu verschärfen, könnten aber eine Mehrheit finden, wenn alle Unionsabgeordneten und die Fraktionen der FDP, der AfD und des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zustimmen. Ob das noch in dieser Woche geschieht, ist aber mehr als ungewiss.
Für die FDP signalisierte Generalsekretär Marco Buschmann, bis vor kurzem noch Bundesjustizminister, Zustimmung zu den Plänen von Merz. Die demokratischen Parteien dürften sich von der AfD nicht vorschreiben lassen, was sie tun: "Nur wenn Demokraten das Problem lösen, wird die Demokratie auch stabil sein", so Buschmann.
Die CDU-Pläne zur Asyl- und Migrationspolitik
Was genau plant die CDU? Die Konservativen wollen nach mehreren zum Teil tödlichen, mutmaßlich von Asylbewerbern und Zuwanderern verübten Gewalttaten eine "außergewöhnliche Notlage" erklären lassen.
Die Grenzen sollen dauerhaft kontrolliert werden, nicht nur temporär wie bislang, was so in den Grenz-Vereinbarungen der EU nicht vorgesehen ist. Personen, die an der Grenze keine gültigen Papiere vorweisen können, sollen nicht ins Land gelassen werden. Auch nicht, wenn sie ein Schutzgesuch auf Asyl für sich beanspruchen, was ebenfalls gegen geltendes Recht verstößt. Und Menschen, die in Deutschland zur Ausreise verpflichtet sind, sollen so lange in Haft genommen werden, bis sie das Land tatsächlich verlassen haben.
Grünen-Chef: "Die Vorschläge sind verfassungswidrig"
Der Vorsitzende der Regierungspartei der Grünen, Felix Banaszak, sagte der DW am Wochenende über Merz und seine Asyl-Pläne: "Er hat Vorschläge eingebracht, von denen wir wissen, dass sie europarechts- und verfassungswidrig sind. Und er hat diese Vorschläge verknüpft damit zu sagen: Entweder sie werden eins zu eins von den Parteien der demokratischen Mitte umgesetzt, oder er nimmt auch Mehrheiten mit der AfD in Kauf. Und das führt zu viel Verunsicherung in diesem Land."
Für die SPD sagte der Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler, der von Beruf Kriminalbeamter ist, der DW: "Ich habe als Polizist mal einen Eid auf die Verfassung geschworen, und wenn jetzt ein Kanzlerkandidat sagt, er möchte ganz gerne das europäische Recht brechen, dann habe ich nicht nur Fragezeichen im Kopf - das kann ich nicht nachvollziehen."
Diverse Vertreter von SPD und Grünen verglichen das Auftreten von Merz schon mit dem des neuen US-Präsidenten Donald Trump in den ersten Tagen im Amt.
Erklärung gegen die AfD ist den Anträgen beigefügt
Dass Merz mit der möglichen Zustimmung der AfD ein heikles Feld betritt, ist ihm offenbar bewusst. Den Anträgen an den Deutschen Bundestag wurde deshalb eine Erklärung angehängt, in der sich CDU und CSU noch einmal scharf von der AfD absetzen. Darin heißt es: "Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen."
Katholische Organisation gegen Politik gegen Zuwanderer
Ein offenbar psychisch kranker, aus Saudi-Arabien stammender Mann war im Dezember mit einem Auto auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast und hatte dabei sechs Menschen getötet und weitere rund 300 verletzt. Seitdem ist das Thema Migration und Asyl bestimmend im Wahlkampf für die Neuwahl des Bundestages am 23. Februar, in weniger als vier Wochen also. Die Bluttat von Aschaffenburg vor einigen Tagen hat das Thema weiter verschärft.
Die vom katholischen Pfarrer Peter Kossen mitbegründete Menschenrechtsorganisation Aktion Würde und Gerechtigkeit kritisiert das scharf. Der Verein erklärte jetzt, er wende sich gegen eine falsche Wahrnehmung der Zuwanderung in Deutschland. In Wirklichkeit würde sich die große Mehrheit der Zugewanderten gut integrieren. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung hat derzeit einen Migrationshintergrund. Weiter heißt es: "Migranten sind keine Kriminellen. Das Recht auf Asyl ist aus guten Gründen im Grundgesetz verankert."
Beschluss im Bundestag erst einmal ungewiss
Unklar ist noch, ob die Anträge tatsächlich noch vor der Bundestagswahl abgestimmt werden können. Noch stehen sie nicht auf der Tagesordnung der Bundestagssitzung in dieser Woche. Damit sie schnell abgestimmt und die Pläne noch vor der Wahl sogar in Kraft treten könnten, ist ohnehin eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig. Und die ist in keinem Fall in Sicht.