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PolitikChina

ASEAN will atomwaffenfrei bleiben

15. Juli 2025

Keine Nuklearwaffen, keine atombetriebenen Schiffe - der Südostasienstaatenbund will geopolitische Konflikte vermeiden und befindet sich doch mittendrin. Keine der fünf Atommächte unterstützt bisher diese Initiative.

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Kambodscha Ankunft von Chinas Kriegsschiffen
(Archiv) Ein chinesisches Kriegsschiff am kambodschanischen Hafen SihanoukvilleBild: AP Photo/picture alliance

Schon 1995 hatte der Staatenbund der südostasiatischen Länder ASEAN eine zwischenstaatliche Vereinbarung zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Südostasien unterzeichnet. In dem Dokument mit den offiziellen Kürzel SEANWFZ, weithin auch als "Bangkok-Vertrag" bekannt, verpflichten sich die Unterzeichner, gegeneinander keine Atomwaffen einzusetzen.

Außerdem sieht der Vertrag vor, dass die fünf Atommächte - die USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China - den Vertrag ebenfalls unterzeichnen, die ASEAN-Region "frei von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen" halten und gleichzeitig die zivile Nutzung der Kernenergie zu ermöglichen. Die fünf Nationen wurden im Atomwaffensperrvertrag, einem internationalen Vertrag aus dem Jahr 1970, als Atommacht definiert. Doch bisher hat keines der Länder den Bangkok-Vertrag unterzeichnet.

China und Russland signalisieren Bereitschaft für Unterstützung

Auf dem ASEAN-Regionalforum in Malaysia letzte Woche hat nach Auskunft des malaysischen Außenministers Mohamad Hasan jetzt China seine Bereitschaft signalisiert, den SEANWFZ-Vertrag zu unterstützen. "China hat sich verpflichtet, den Vertrag ohne Vorbehalte zu unterzeichnen", erklärte Hasan.

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Er deutete außerdem an, dass auch Russland, das über das weltweit größte Atomwaffenarsenal verfügt, das Abkommen ebenfalls unterzeichnen werde. Moskau hüllt sich zu diesem Thema noch in Schweigen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat während seiner Teilnahme am ASEAN-Forum dazu keine Stellung bezogen.

Werden auch die USA dem SEANWFZ beitreten?

US-Außenminister Marco Rubio war letzte Woche ebenfalls in Kuala Lumpur. Es bleibt jedoch unklar, ob die USA beabsichtigen, den SEANWFZ-Vertrag zu unterzeichnen. Die USA pflegen zu einem ASEAN-Mitglied, den Philippinen, enge Beziehungen.

Sowohl Washington als auch Moskau wollen sich ihren Einfluss in der Region sichern. Mehrere ASEAN-Staaten suchen nach internationalen Partnern für die Entwicklung ziviler Nuklearprogramme.

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Partnerschaften mit Washington sind aber heute möglicherweise nicht mehr so zuverlässig wie früher. Die US-Regierung um Präsident Donald Trump verfolgt eine unberechenbare und wechselhafte Außenpolitik. In Südostasien entsteht der allgemeine Eindruck, dass die Regeln und Normen der internationalen Ordnung bröckeln und die Glaubwürdigkeit und das Interesse der USA an der Region rapide schwinden würden.

Die Folge: Die meisten südostasiatischen Länder haben sich in den letzten Monaten Russland und China angenähert. Der russische Außenminister Lawrow hatte seinen Verbündeten in Südostasien gesagt, dass heute die internationale Gemeinschaft in eine "multipolare Weltordnung" zerfalle. Möglicherweise habe Lawrow Recht, denken die ASEAN-Regierungen.

Peking streckt ASEAN Arme aus

Auch China erhält nun Spielraum, seinen diplomatischen Einfluss auf Kosten Washingtons auszubauen. Mit der Unterstützung des Bangkok-Vertrags wolle Peking zeigen, dass es "sich um die ASEAN kümmert, während die USA möglicherweise hohe Strafzölle gegen südostasiatische Staaten verhängt und versucht diese zu nutzen, um China zu isolieren, was der ASEAN wiederum nicht will", sagt Joshua Kurlantzick, Senior Fellow für Südostasien der New Yorker Denkfabrik "Council on Foreign Relations" gegenüber der DW. "China hat nichts zu verlieren, da es ohnehin höchst unwahrscheinlich ist, dass es Atomwaffen in Südostasien einsetzen müsste."

Infografik Karte Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer EN

Außerdem könne Peking mit seinen außenpolitischen Positionen im Pazifik einen Gegenpol zum AUKUS-Pakt anbieten, dem Militärbündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien mit Schwerpunkt im Indopazifischen Raum. Die USA und Großbritannien wollen Australien bei der Entwicklung und dem Einsatz von atombetriebenenU-Booten unterstützen.

China stationiert U-Boote im Südchinesischen Meer

China werde sich "keinesfalls an die Bestimmungen des SEANWFZ halten", warnt Zachary Abuza, Professor am National War College in Washington, im Gespräch mit der DW. Der SEANWFZ-Vertrag verpflichtet seine Unterzeichnerstaaten, keine Atomwaffen durch die Region oder ihre Wasserstraßen zu transportieren. Doch in den Gewässern des angrenzenden Südchinesischen Meeres habe China mindestens ein Atom-U-Boot stationiert, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters im Jahr 2023.

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Die territoriale Zugehörigkeit von Teilen des Südchinesischen Meeres ist umstritten. Viele ASEAN-Staaten wie Vietnam, die Philippinen und Malaysia beanspruchen Teile der Gewässer je für sich. Um seine Interessen dort abzusichern, lasse Peking das Atom-U-Boot von der südlichsten Insel Chinas, Hainan, bis vor der Küste Malaysias patrouillieren.

Vergangenes Jahr behauptete das US-Militär, dass sich Peking darauf vorbereite, schwimmende Atomkraftwerke neben den künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer zu stationieren. Chinesischen Medienberichten zufolge habe das Projekt vorgesehen, kleine Atomreaktoren in einem Schiff zu integrieren, die als mobile "Powerbanks" auf hoher See für stationäre Anlagen sowie und andere Schiffe dienen würden. Später soll das Projekt aufgrund von Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit eingestellt worden sein, berichtete die Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post.

Peking als zuverlässiger Partner?

Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI schätzt in seinem Jahrbuch 2025, dass China 600 einsatzfähige Atomsprengköpfe besitzt. Das US-Verteidigungsministerium ist sich sicher, dass Peking das Arsenal weiter ausbaue. China hat immer wieder bekräftigt, nicht als Erster die Atomwaffen in einem Kriegsszenario einzusetzen und keine Atomwaffen gegen Länder zu nutzen, die keine Atomwaffen besitzen.

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"Dass Peking bereit ist, als erste Atommacht außerhalb der Region die SEANWFZ zu unterzeichnen, ist diplomatisch klug und zumindest ein Lippenbekenntnis an die ASEAN-Staaten", sagt Abuza. Denn ASEAN stehe im Mittelpunkt der umfassenden asiatisch-pazifischen Diplomatie von Peking.

"China tut alles, um sich als verantwortungsbewusster Akteur in der Region zu präsentieren, der sich an Regeln und Normen hält. Peking möchte Washington als Störfaktor für den Status quo und das Wirtschaftswachstum in der Region darstellen."

Kein ASEAN-Staat mache sich aber Illusionen, dass sich die Atommächte im Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannung bei ihren Aktivitäten in Südostasien einschränken würden, sagt Politikwissenschaftler und Gründer des wöchentlichen Newsletters "ASEAN Wonk" Prashanth Parameswaran. "Sie können die besorgniserregende Lage der Nichtverbreitung von Atomwaffen weltweit auch nicht verändern", sagt Parameswaran. Um ein atomwaffenfreies Südostasien zu garantieren, reiche eine Unterschrift eben nicht aus.  

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Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan

 

DW Mitarbeiter David Hutt
David Hutt Journalist mit Fokus auf die Beziehungen zwischen Europa und Südostasien@davidhuttjourno