ASEAN liebäugelt mit Partnerschaft zu Russland
3. Juli 2025Die Entscheidung hatte Signalwirkung. Während sich die Industrienationen der G7-Gruppe letzten Monat in Kanada trafen, besuchte der indonesische Präsident Prabowo Subianto Russland. Prabowo und der russische Präsident Wladimir Putin wollen die bilateralen Beziehungen "wieder stärker" machen, hieß es nach den politischen Gesprächen.
"Mein Treffen mit Präsident Putin war intensiv, herzlich und produktiv", sagte Prabowo. "In allen Bereichen der Wirtschaft, der technischen Zusammenarbeit, des Handels, der Investitionen und der Landwirtschaft haben sich erhebliche Verbesserungen ergeben."
Prabowo verzichtete auf die Teilnahme am G7-Gipfel und ein Treffen mit westlichen Staats- und Regierungschefs wie US-Präsident Donald Trump. Dagegen feierte er lieber in Moskau 75 Jahre diplomatische Beziehungen mit Russland. Neben Putin stehend erklärte Prabowo, Russland und China wären nicht die "Länder mit Doppelmoral" und Indonesien sei ein Verteidiger der "Unterdrückten und Benachteiligten". Vor Prabowos Besuch war auch der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim in Russland - sein dritter Besuch innerhalb von zwei Jahren.
Blumige Worte für Putin
Obwohl Indonesien und Malaysia, beide mehrheitlich muslimische Länder in Südostasien, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Anfang 2022 zunächst verurteilt hatten, nehmen sie nun eine neutrale Haltung zu dem andauernden Krieg ein. Seit Anfang 2024 sind die öffentlichen Äußerungen beider Regierungen erkennbar moskaufreundlicher geworden.
Während seiner Reise nach Wladiwostok im letzten September lobte Malaysias Premier Anwar Putin für seine "Vision und Führungsstärke" sowie für seine "Entschlossenheit, zu überleben". Anwar meinte damit vermutlich, dass sich Putin trotz westlicher Sanktionen an der Macht halten kann. Die "bemerkenswerte Soft Power" Russlands habe ihm "weltweiten Respekt und Bewunderung eingebracht und die Herzen und Köpfe der Menschen auf der ganzen Welt beeinflusst".
Prabowo und Anwar seien bestrebt, die Blockfreiheit ihrer Länder durch eine ausgewogenere Außenpolitik zu stärken, einschließlich engerer Beziehungen zu Russland und China, sagt Ian Storey vom ISEAS-Yusof Ishak Institute in Singapur. Der Politologe ist Autor des kürzlich erschienenen Bestsellers "Putins Russland und Südostasien".
"Eine ausgewogenere Außenpolitik umfasst auch die Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Moskau, auch wenn die Möglichkeiten für den Ausbau der Handels- und Investitionsbeziehungen mit Russland recht begrenzt sind", sagt Storey im DW-Interview.
ASEAN will mehr Handel mit Russland
Trotz dieser Einschränkungen stieg der bilaterale Handel Russlands mit den Ländern der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) 2023 auf einen Rekordwert von 22 Milliarden US-Dollar. Laut einer offiziellen russischen Statistik, die von der australischen Denkfabrik Lowy Institute zitiert wurde, entspricht dies einem Wachstum von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. ASEAN hat neben Malaysia und Indonesien noch weitere acht Mitglieder.
Kuala Lumpur und Jakarta prüfen derzeit Möglichkeiten zur Ausweitung des Handels mit Russland, darunter auch mehr Importe von Waffen und im Energiesektor, insbesondere für Indonesien, das nach wie vor stark von fossilen Energieträgern abhängig ist. Nach Russland wollen mehrere südostasiatische Staaten Haushaltsgeräte und Maschinen exportieren. Eine lukrative Alternative für Moskau: Denn seit 2022 steht Russland unter internationalen Sanktionen des Westens.
Andere ASEAN-Länder wollen mit russischer Hilfe Atomkraftwerke bauen. Vietnam nahm seine Pläne zur Atomkraft wieder auf, nachdem sämtliche Projekte nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima ausgesetzt worden waren. Das Land braucht mehr bezahlbare Energie für sein rasches Wachstum. Nun sollen russische Unternehmen schnellstmöglich die ersten Kernkraftwerke Vietnams zu Ende bauen und in Betrieb nehmen.
Kao Kim Hourn, der Generalsekretär der ASEAN, eröffnete schon Anfang 2025 eine Ausstellung in Jakarta, die die Zusammenarbeit zwischen der ASEAN und Russland im Bereich der zivilen Kernenergie zum Thema hatte. Indonesien stellt in Zusammenarbeit mit einem russischen Investment Fund zwei Milliarden Euro für Großprojekte mit Russland zur Verfügung.
BRICS als Verband für den globalen Süden
Indonesien ist auch offizielles Mitglied der BRICS. Der Staatenverband umfasst zehn der größten Schwellenländer der Welt. Malaysia, Thailand und Vietnam sind ebenfalls BRICS-Partnerländer.
Zwar hatten die Regierungen Malaysias und Indonesiens bereits vor Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Januar Annäherungsversuche an Russland unternommen, aber die Abkehr Washingtons von internationalen Institutionen in der zweiten Präsidentschaft von Trump hat viele asiatische Staats- und Regierungschefs davon überzeugt, dass sie nicht mehr auf die USA zählen können. Analysten glauben sogar, dass die Vorstellung einer vom Westen unterstützten internationalen Ordnung bald Vergangenheit sein könnte.
"Der jüngste Wechsel in der US-Regierung und Chancen wie die BRICS-Mitgliedschaft haben Malaysia und Indonesien mehr Spielraum für eine Annäherung an Russland verschafft", sagte Prashanth Parameswaran, Gründer des wöchentlichen Newsletters "ASEAN Wonk", gegenüber der DW.
Geopolitische Schachzüge?
Antwortend auf die Frage von Reportern, warum er eine Einladung zum G7-Gipfel abgelehnt habe, um stattdessen Russland zu besuchen, wiegelte Prabowo ab: "Lesen Sie nicht zu viel hinein. Wir wollen mit allen befreundet sein."
Die Aussage, Indonesien sei in der anhaltenden Rivalität der Großmächte neutral, sei jedoch nicht glaubwürdig, kritisiert dagegen die Tageszeitung Jakarta Post in einem Leitartikel diese Woche. Das Statement von Prabowo in Sankt Petersburg "enthielt einerseits versteckte Kritik an den USA und lobte andererseits China und Russland überschwänglich."
Die antiwestliche Stimmung in den mehrheitlich muslimischen Ländern Indonesien und Malaysia habe in der Tat zugenommen, belegt eine Studie des ISEAS-Yusof Ishak Institute. Als Ursache wird die Unterstützung des Westens für Israel in seinen Kriegen im Nahen Osten gegen muslimische Völker vermutet.
Russland biete Indonesien und Malaysia ein "interessantes Modell", sagt Zachary Abuza, Professor am National War College in Washington. Russland sei ein Land, "das unabhängig handeln, Amerika und dem Westen eins auswischen und versuchen kann, eine neue internationale Ordnung zu etablieren", erklärt er gegenüber der DW.
Die drei Besuche des malaysischen Premierministers Anwar in Russland in den letzten zwei Jahren seien von dem Wunsch motiviert gewesen, eine prominentere Position auf der Weltbühne einzunehmen, sagt Bridget Welsh, ehrenamtliche wissenschaftliche Mitarbeiterin am Asia Research Institute Malaysia der Universität Nottingham, gegenüber der DW. Aber es liege auch daran, dass Russland "aufgrund seiner Anti-West-Haltung" im eigenen und anderen Ländern beliebt sei. Viele Malaysier würden deswegen sogar glauben, dass die USA den Ukraine-Krieg provoziert hätten.
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan