Armenischer Journalist der Spionage für die Türkei angeklagt
7. November 2002Köln, 7.11.2002, DW-radio / Russisch
Eine bislang beispiellose Aufmerksamkeit der Presse hat der erste in der Geschichte des unabhängigen Armeniens stattfindende Prozess gegen einen Bürger des Landes auf sich gelenkt, dem Hochverrat vorgeworfen wird. In der Anklageschrift heißt es, der Übersetzer, Diplomat und Journalist Murad Bodscholjan sei vor vier Jahren vom türkischen Geheimdienst angeworben worden. Es berichtet Aschot Gasasjan:
Murad Bodscholjan, der früher im Parlament, im Außenministerium und im Apparat des ersten Präsidenten Armeniens tätig war, hatte dort Zugang zu geheimen Informationen, die er an die Türkei weitergab. Die Auftraggeber interessierten sich für Informationen wirtschaftlicher und militärischer Art, für Informationen über Armenien und Berg-Karabach, darunter auch über die Stationierung und die Anzahl der Truppen und Waffen. Das Interesse galt aber auch dem russischen Militärstützpunkt sowie möglichen Ausbildungslagern für Kämpfer auf dem Territorium Armeniens und Berg-Karabachs. Laut Anklage hat Murad Bodscholjan für jene Informationen Geld erhalten.
Der Angeklagte hält sich jedoch in allen Punkten für unschuldig. Er erklärte, er habe mit den Türken ausschließlich als Journalist zusammengearbeitet und dabei ausschließlich erlaubte Informationsquellen genutzt. Murad Bodscholjan arbeitete für die Nachrichtenagentur Anatolia, an die er nur Beiträge über türkische Themen aus der armenischen Presse weitergeleitet haben will. Während des Prozesses kam ein interessantes Detail zum Vorschein: Murad Bodscholjan war in den 70er Jahren ein "eigensinniger Agent mit Initiative, in den die Hauptabteilung Aufklärung seinerzeit gewisse Hoffnungen setzte". Wie es sich herausstellte, war der Fachmann für Ostwissenschaften und Turkvölker mit den Methoden der Anwerbung und Kommunikation sowie mit der Spionage in der Türkei, wo er im Kriegsfall aktiv werden sollte, vertraut. Murad Bodscholjan warf seinerseits den Ermittlern vor, Staatsgeheimnisse preiszugeben. "Das macht man nirgendwo, solange der Agent noch lebt", sagte er. (MO)