Anhörung in der Staatsduma Russlands über Lage in Turkmenistan
28. November 2003Bonn, 27.11.2003, DW-radio / Russisch
In der Staatsduma der Russischen Föderation ging es am Donnerstag (27.11.) um Verstöße gegen die Rechte der russischsprachigen Minderheit in Turkmenistan. Als Experte war der Mitarbeiter des Zentralasien-Programms der Deutschen Welle, Witalij Wolkow, geladen. Er sagte vor den russischen Abgeordneten folgendes:
"Ich habe mir eine konkrete Aufgabe gestellt: Ohne die Situation zu bewerten, möchte ich Material vorlegen, das in drei verschiedenen Formen festgehalten ist: Auf Audiokassetten, die Aussagen russischer Bürger über die Einschränkung ihrer Rechte enthalten, darunter auch über deren Unterdrückung in Eigentumsfragen, aber auch über die Zwangsräumungen von Wohnungen. Ich habe viele Aussagen überreicht, die in schriftlicher Form festgehalten worden sind, aber auch Zeugen der Repressionen gegen russische Staatsbürger und die russischsprachige Bevölkerung in die Duma persönlich eingeladen. Leider konnten diese wegen der Geschäftsordnung am Donnerstag nicht gehört werden, aber die russische Seite wurde zumindest darüber informiert, dass solche Menschen tatsächlich existieren."
Folgende Zeugenaussage stellte Witalij Wolkow den russischen Abgeordneten zur Verfügung. Es spricht der nun im Exil lebende ehemalige Einwohner Aschgabads, der russische Staatsbürger Annadurdy Chadschijew:
"Bei uns in Aschgabad erschienen hochrangige Vertreter der Rechtsschutzorgane und sie warfen meine Familie einfach auf die Straße. Jetzt wohnt in meinem Haus eine Familie, die dort auf Anweisung des Bürgermeisters untergebracht wurde. Meine Schwester reiste persönlich zu diesen Leuten und bat sie darum, unser Haus zu verlassen. Die neuen Bewohner – Verwandte des Bürgermeisters der turkmenischen Hauptstadt – erklärten jedoch, sie würden das Haus nicht verlassen, weil es jetzt ihnen gehöre."
Witalij Wolkow zufolge reagierte die russische Seite auf die Beweise wie folgt:
"Während der Anhörung konnte man bei den Abgeordneten keine Reaktion feststellen. Der stellvertretende Außenminister Aleksej Fedomow, der zu Beginn und zum Abschluss der Anhörung das Wort ergriff, unterstrich jedoch, dass das von der Deutschen Welle vorgelegte Material reale Fakten enthalte. Er bedauerte, dass es das russische Außenministerium etwas zu spät erreicht habe. Fedomow betonte, es wäre besser, wenn das russische Außenministerium vor einem halben Jahr alle Informationen erhalten hätte. Aber diese Gelegenheit hatte das Außerministerium, denn unser Material wurde offen verbreitet und war allen Interessierten zugänglich. Nach der Anhörung sagte der stellvertretende Minister zu mir persönlich, er wolle, dass wir das Material der Deutschen Welle nicht nur in der Duma, sondern auch im Außenministerium vorstellen. Fedomow unterstrich vor allem, dass das russische Außenministerium bereit sei, auf der Basis dieses Materials aktiv zu werden."
Bei der Anhörung in der Duma sprach auch der US-Bürger Leonid Komarowskij, der nach dem sogenannten "Attentat" auf Präsident Saparmurat Nijasow vom 25. November vergangenen Jahres mehrere Monate in einem turkmenischen Gefängnis saß:
"Ich denke, uns allen ist es gelungen, die Abgeordneten wachzurütteln und ihnen authentische Informationen darüber, was Turkmenistan geschieht, nahe zu bringen. Ich habe über die katastrophale Situation gesprochen, die sich dort im Bereich der Menschenrechte und mit der russischsprachigen Bevölkerung ergeben hat. Ich habe eine ganze Reihe von Familiennamen angeführt, dabei handelt es sich um mehr als 15 russische Bürger, die als Folge der Willkür der turkmenischen Gefängniswache bereits gestorben sind oder demnächst an der Reihe sind, weil sie ständig geschlagen und gefoltert werden. Ich habe den Eindruck, dass man im russischen Außenministerium diese Namen noch nie gehört hat und dass das, was ich gesagt habe, für sie neu war."
Hier nun die Meinung von Witalij Wolkow über die realen Folgen, die die am Donnerstag stattgefundene Anhörung in der Duma auf die Haltung Russlands in der Frage der Rechte der russischsprachigen Bevölkerung in Turkmenistan haben könnte:
"Mir fällt es schwer zu sagen, inwieweit die Worte, die heute fielen, reale Politik werden. Ich habe aber den Eindruck, dass der hochrangige Vertreter des russischen Außenministeriums die Situation klären möchte und dass der Duma-Ausschuss für internationale Fragen nicht einfach irgendwelche Aktionen gegen Turkmenistan durchführen möchte, sondern tatsächlich der Regierung Vorschläge unterbreiten und die Außenpolitik Russlands korrigieren möchte. Es ist unklar, inwieweit diese Absichten realisiert werden können. Aber die neun verabschiedeten Punkte liegen jetzt vor mir auf dem Tisch. Sie alle sind sehr hart und konstruktiv." (MO)