Angriffe konzentrieren sich auf strategische Ziele
23. Oktober 2001Die Angriffe der US-Kampfflugzeuge auf Taliban-Frontstellungen deuten nach Ansicht von Beobachtern auf den Beginn einer neuen US-Offensive zu Gunsten der Nordallianz.
Bei den Angriffen unweit von Masar-i-Scharif sollen Panzer und Artillerie-Stellungen beschädigt sowie ein Munitionslager zerstört worden sein. Wenn die Nordallianz Masar-i-Scharif erobert, hätte sie die wichtigste Transportroute für Waffen aus den Nachbarländern Tadschikistan und Usbekistan unter ihrer Kontrolle. Am Abend warf die US-Luftwaffe sechs Bomben auf die Front nördlich von Kabul ab. Fünf fielen auf Taliban-Gebiet, eine auf das der Nordallianz.
Planungen für einen Sturz der Taliban gehen weiter
In den USA herrscht offenbar noch Unklarheit, wie weit die Unterstützung für die Nordallianz gehen soll. US-Außenminister Colin Powell erklärte, die USA seien an der Einnahme von Masar-i-Scharif "sehr interessiert". Ob auch die Eroberung von Kabul durch die Nordallianz sinnvoll sei, werde noch diskutiert. Washington befürchtet in diesem Fall dauernde Kämpfe in Afghanistan, die eine politische Neuordnung nach dem Sturz der Taliban verhindern würden.
Der russische Präsident Wladimir Putin sagte der Nordallianz unterdessen weitere Unterstützung zu. Er bekräftigte auch seinen Widerstand gegen eine Beteiligung von Taliban-Vertretern an einer künftigen afghanischen Regierung.
Angeblich 100 Tote in Herat
Bei den Angriffen der US-Luftwaffe auf Afghanistan sollen nach Angaben der Taliban ein Krankenhaus in der Stadt Herat getroffen und mehr als 100 Menschen getötet worden sein. Die USA äußerten aber ihre Zweifel an dieser Darstellung. Ein Pentagon-Sprecher sagte, er messe diesen Nachrichten dieselbe Glaubwürdigkeit wie anderen Meldungen der Taliban bei, die sich als falsch erwiesen hätten.
Einsatz britischer Bodentruppen steht offenbar bevor
Der Einsatz britischer Spezialtruppen bei Kommandoaktionen in Afghanistan rückt allem Anschein nach näher. "Wir haben immer gesagt, dass Bodentruppen eine der Optionen sind", sagte Verteidigungsminister Geoff Hoon am Montag in London nach einer Sitzung des britischen Kriegskabinetts. "Wir haben Soldaten, die sehr kurzfristig zu einem Einsatz bereit sind."
Der Verteidigungsminister zeigte sich zuversichtlich, dass Bin Laden ergriffen und die Herrschaft der Taliban beendet werden kann. "Ich glaube, dass wir dem sehr viel näher sind als vor vier Wochen. Ich bin zuversichtlich, dass wir Bin Laden zu gegebener Zeit entweder ergreifen oder dass ihn uns jemand übergibt."
Flüchtlingselend an der Grenze zu Pakistan
An der abgeriegelten Grenze zu Pakistan warten 15.000 afghanische Flüchtlinge verzweifelt darauf, dass ihnen die Einreise ins Nachbarland gewährt wird.
Grenzsoldaten eröffneten das Feuer auf die Menge, um diese zurückzuhalten. Dabei wurde ein Afghane getötet.