Alles klar im Kosovo?
25. Oktober 2004Bonn, 24.10.2004, DW-RADIO, Klaus Dahmann
Für die albanische Mehrheit der abtrünnigen südserbischen Provinz Kosovo sind die Parlamentswahlen erfolgreich verlaufen. Denn nicht nur hat der gemäßigte Präsident Ibrahim Rugova die Wahl nach Hochrechnungen mit um die 50 Prozent klar gewonnen, sondern der faire und ordnungsgemäße Verlauf der Stimmabgabe wird der Forderung der Albaner nach Unabhängigkeit des Kosovo weiteren Nachdruck verleihen. Erstmals seit dem Beginn der UN-Verwaltung im Sommer 1999 hatten die Kosovo-Behörden die Wahl nämlich selbständig organisiert. Der fast vollständige Wahlboykott der serbischen Minderheit wirft allerdings ein trübes Licht auf das Wahlergebnis. Es steht zu befürchten, dass die Politik im Kosovo sich auch weiterhin ausschließlich auf die sogenannte Status-Frage konzentrieren wird, unter sträflicher Ausblendung aller anderen drängenden Probleme der Provinz. Klaus Dahmann kommentiert:
Im Ergebnis bleibt alles, wie es war: Die Stimmanteile von Ibrahim Rugovas gemäßigter LDK (Demokratische Liga Kosovos) sowie der zwei UCK-Nachfolge-Parteien von Hashim Thaci und Ramush Haradinaj haben sich nur um wenige Prozentpunkte verschoben. Zehn Parlamentssitze sind serbischen Politikern garantiert, ebenso viele den Vertretern der anderen Minderheiten. In anderen Ländern würde man so ein Wahlergebnis vermutlich als Ausdruck von Stabilität und Kontinuität preisen. Davon kann jedoch im Kosovo kaum die Rede sein.
Im Gegenteil: Die Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen sind tiefer als zuvor. Vor zweieinhalb Jahren hatte noch fast die Hälfte der wahlberechtigten Serben den Stimmzettel abgegeben - diesmal haben sie die Wahl nahezu komplett boykottiert.
Das zeigt zum einen, wer für sie die maßgebliche Autorität darstellt: Patriarch Pavle und der serbische Ministerpräsident Vojislav Kostunica, die diesen Boykott empfohlen hatten. Und zum anderen zeigt es, dass sie nicht begriffen haben, auf welch gefährliches Spiel sie sich da einlassen. Gefährlich vor allem für sie selbst.
Schon wenn sich Rugovas LDK nach Koalitionspartnern für die Regierungsbildung umschaut, haben die zehn Serben im Parlament einen schlechten Stand: Was will man mit Vertretern einer Minderheit, die noch nicht einmal von einem Prozent dieser Volksgruppe gewählt worden sind? Die selbe Frage wird wohl auch gestellt, wenn im nächsten Jahr Gespräche über die Zukunft des Kosovo beginnen. Wer niemanden repräsentiert, den nimmt auch niemand ernst.
Die Kosovo-Serben haben mit diesem Wahlboykott ihr Schicksal in die Hände der Belgrader Regierung gelegt. Einer Regierung, die schon jetzt nicht in der Lage ist, die Lebensumstände der kosovarischen Serben zu verbessern. Und Kostunica wird für sie auch in den Verhandlungen um den künftigen Status des Kosovo wenig tun können. Schon jetzt deutet sich an, dass die internationale Gemeinschaft das UN-Protektorat schrittweise in die Unabhängigkeit entlassen wird.
Bestenfalls kann Kostunica eine Abtrennung des Nord-Kosovo um die Stadt Mitrovica erreichen - was allerdings den übrigen serbischen Enklaven nicht helfen würde. Wahrscheinlicher aber ist, dass er einer Lösung ohne Grenzveränderung zustimmen muss. Und das könnte sogar die Bildung einer Konföderation dreier gleichberechtigter autonomer Staaten bedeuten - Serbien, Montenegro und Kosovo.
Der serbische Wahlboykott nützt nur den albanischen Politikern: Sie werden nun behaupten, dass sich die Serben damit aus der Debatte um die Zukunft des Kosovo verabschiedet haben.
Eine Verbesserung der Lebensverhältnisse ist hingegen nicht in Sicht. Denn auch die albanischen Parteien haben sich bisher erfolgreich geweigert, politische Verantwortung für Probleme wie Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Gewalt zu übernehmen. Diese Verantwortung schieben sie voll und ganz auf die UN-Verwaltung und die KFOR-Schutztruppe. Und natürlich auf die internationale Gemeinschaft, denn ihrer Meinung nach liegt die Ursache allen Übels ohnehin in der ungeklärten Status-Frage.
Was nach dieser Wahl - außer Ernüchterung - bleibt, ist die Frage, ob das neue Parlament mehr sein wird als nur eine Tribüne für die bald beginnenden Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo. Oder ob UNMIK-Chef Jessen-Petersen mit den konkreten Problemen doch wieder alleine gelassen wird. (fp)