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Allein in den letzten drei Jahren sind in Usbekistan über 7000 Personen wegen "antiterroristischer Tätigkeit" verurteilt worden

18. Februar 2002

– Konfrontation zwischen Macht und Opposition in den zentralasiatischen Staaten

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Moskau, 14.2.2002, GASETASNG.RU, russ., Natalja Pulina

Es gibt keine Macht ohne Opposition. Es gibt aber auch keine starke Macht mit Opposition. Heute ist dieses Prinzip der politischen gegenseitigen Beziehungen besonders typisch für die Staaten Zentralasiens, wo der Kampf um die Macht gleich in drei Richtungen geführt wird – in individuell-politischer, in Clan-Richtung und natürlich in religiöser Richtung. Der bekannte Ausdruck "Religion ist Opium für das Volk" ist heute eine der Formeln für die Beibehaltung und Eroberung der Macht in den ehemaligen zentralasiatischen Republiken der UdSSR. Die traditionell patriarchalische Mentalität der Bewohner des muslimischen Ostens spielt in diesem Sinne die "erste Geige". Es ist kein Geheimnis, dass der Kult eines Herrschers als "Vater der Nation" für den größten Teil der Bevölkerung Zentralasiens eine alltägliche Erscheinung ist. Den oppositionellen "Don Quijotes" fällt es unter den entstandenen Bedingungen sehr schwer, gegen die "Windmühlen" des asiatischen Autoritarismus zu kämpfen.

Tadschikistan

"Leninabad regiert, Kuljab verteidigt, Pamir tanzt und Karategin handelt"

Die traurigsten Erfahrungen bei den Kämpfen unterschiedlicher Clans gegeneinander hat wahrscheinlich Tadschikistan gemacht, wo die Auseinandersetzungen zwischen den religiösen Eliten in einen Bürgerkrieg mündeten, der über 50 000 Menschenleben kostete und zum Höhepunkt des Machtkampfes zwischen Leuten aus dem damaligen Gebiet Leninabad, heute Sogdi, der kommunistischen Regierung und der politischen Opposition wurde, die bereits Ende der 80er Jahre begonnen hatte, sich zu formieren. Es ist nämlich so, dass Leninabader die Macht im sowjetischen Tadschikistans im Laufe von 50 Jahren in ihren Händen konzentriert hatten. Sie bekleideten die höchsten Ämter in der Republik. Gäste der Tadschikischen SSR bekamen des Öfteren folgenden Scherz zu hören: "Leninbad regiert, Kuljab verteidigt, Pamir tanzt und Karategin handelt". Alles änderte sich im Mai 1992. Die Opposition, die hauptsächlich aus einer Koalition demokratischer, nationalistischer sowie islamischer Parteien und Bewegungen bestand und sich in erster Linie auf die Bevölkerung der Bergregionen stützte – Garm, Gornyj Badachschan und Pamir – organisierte einen bewaffneten Widerstand, versuchte die Macht zu erobern. Der Putschversuch mündete in einen Bürgerkrieg, der bis Dezember 1996 andauerte. Den Aufständischen bot die ehemalige Parteinomenklatura aus dem Gebiet Leninabad sowie die Bevölkerung des Gebietes Kuljab, das im Süden der Republik liegt, die Stirn. Ein halbes Jahr nach Beginn der Kampfhandlungen waren die Anführer der Opposition gezwungen, aus Tadschikistan auszuwandern. Der Krieg endete jedoch damit nicht. Von Dezember 1993 bis Dezember 1996 kämpften bewaffnete Verbände der Vereinten tadschikischen Opposition, die in Afghanistan stationiert waren, gegen Regierungstruppen. Dabei unternahmen die Führung der Vereinten tadschikischen Opposition und die Regierung Tadschikistans, die hauptsächlich aus Leuten aus dem Gebiet Kuljab bestand, Versuche, Friedensverhandlungen einzuleiten, die im April 1994 begannen und erst nach drei Jahren mit der Unterzeichnung eines Gemeinsamen Abkommens über die Herstellung von Frieden und nationalem Einvernehmen endeten. Dieses Dokument sah eigentlich vor, dass in der Republik Angehörige verschiedener Clans die Macht haben sollten. So wurde einer der Anführer der Vereinten tadschikischen Opposition, Chodschi Akbar Turadschonsoda, zum Vizepremier Tadschikistans und der ehemalige Vertreter der Opposition, Chabib Sangonow, zum stellvertretenden Innenminister.

Spricht man von den Winkelzügen des intertadschikischen Widerstandes, muss man eine Besonderheit hervorheben, die eigentlich auch für die Machtkampfmethoden im benachbarten Usbekistan typisch ist. Die Vereinigte tadschikische Opposition hat sich bei ihrem Widerstand gegen die offizielle Macht gar nicht von politischen Losungen leiten lassen. Die Führer der Vereinigten tadschikischen Opposition erklärten offen, dass sie unter der grünen Flagge des Islams kämpfen. Kein Wunder. Ist es doch viel bequemer, von der muslimischen Glaubenslehre, zu der sich der größte Teil der Bevölkerung der zentralasiatischen Staaten bekennt, als ideologischem Kampffaktor Gebrauch zu machen, als etwas Neues zu erfinden. Berücksichtigt werden muss auch der Umstand, dass die Religion in der Sowjetzeit bei der damaligen Führung nicht gerade hoch angesehen war. Statt offen zu beten und an Allah zu glauben, wie es bereits ihre Vorfahren taten, waren die rechtgläubigen Muslime gezwungen, ihre Treue den Ideen des Kommunismus zu demonstrieren. Sobald jedoch die kommunistische Idee der Vergangenheit angehörte, befahl, wie es so schön heißt, Allah selbst den Aufständischen, vom Augenblick Gebrauch zu machen und einen neuen, genauer gesagt, vergessenen alten Leitsatz – für die Wiedergeburt des echten Islam – zu verkünden.

Als gutes Beispiel für die Bereitschaft der tadschikischen Opposition zu radikalen Maßnahmen kann der Umstand dienen, dass die Führer der Vereinigten tadschikischen Opposition im Jahre 1996 in Karategin, nachdem die Regierungstruppen aus der Stadt vertrieben worden waren, äußerst harte Scharia-Normen einführten. Die Frauen waren gezwungen, einen Schleier zu tragen, für den Verkauf und Konsum von Alkohol und Tabakerzeugnissen waren harte Strafen vorgesehen. Bemerkenswert ist auch, dass die Führung der Vereinigten tadschikischen Opposition heftig Kontakte zu islamischen Radikalen aufnahm. Die Kinder der Mudschaheddin wurden in Medressen ausgebildet, die von einigen arabischen Staaten finanziert wurden. Und die Absolventen einer Medresse bei Peschawar, die unter persönlicher Kontrolle von Turadschonsoda stand, gründeten später die allgemein bekannte Taliban-Bewegung.

Usbekistan

"Besser hundert Festgenommene als Tausende Tote"

Eben die Ereignisse in Tadschikistan haben den jetzigen Präsidenten Usbekistans, Islam Karimow, gezwungen, aktiv die religiösen Extremisten zu bekämpfen. "Hundert Festgenommene sind besser als Tausende Tote", entschied der usbekische Führer und begann mit der Ausrottung der politischen Opposition insgesamt. Einige Opponenten der offiziellen Machtorgane sind ganz einfach hinter Gitter gelandet, anderen ist es gelungen, aus der Republik zu fliehen. Zu den "Flüchtlingen" gehört auch Tachir Juldaschew, der später die Führung der Islamischen Bewegung Usbekistans übernahm, deren Kämpfer immer wieder bewaffnete Überfälle auf die Territorien der zentralasiatischen Staaten starten. Ein besonderes Auge haben sie auf das Fergana-Tal geworfen, wo die Grenze gleich dreier Staaten verläuft: Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan. Es ist ganz offensichtlich, dass sich Islam Karimow, indem er radikale Methoden zur Bekämpfung der Opposition gewählt hat, viele Probleme geschaffen hat.

Man muss jedoch hervorheben, dass die Islamische Bewegung Usbekistans heute bei weitem nicht die einzige Kraft ist, die auf Konfrontation mit der Macht in Taschkent aus ist. Berücksichtigt man den Umstand, dass in Usbekistan, wie auch im benachbarten Turkmenistan, die Tätigkeit der Opposition offiziell verboten ist, kann man mit Gewissheit sagen, dass die Gegner der regierenden Eliten aus den eigenen Reihen hervorgehen. Dabei sind das nicht nur Politiker, sondern auch Vertreter der Intelligenz. Ende November letzten Jahres nahm die tschechische Polizei auf Aufforderung der usbekischen Machtorgane in Prag den Vorsitzenden der Demokratischen Partei Usbekistans "Erk" und Dichter Salai Madaminow, fest, der unter dem literarischen Pseudonym Muhammad Solich bekannt ist. Madaminow war der einzige Rivale von Islam Karimow bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1991. Im Jahr 1994 war der Vorsitzende von "Erk", der von Sonderdiensten verfolgt wurde, in Abwesenheit zu 15,5 Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt worden und deshalb gezwungen, zu emigrieren. Er wurde der Vorbereitung eines Staatsstreiches beschuldigt, ihm wurden Beziehungen zu Gruppen von islamischen Aufständischen vorgeworfen, die in Afghanistan stationiert sind, sowie die Teilnahme an der Organisation der Terroranschläge am 16. Februar 1999 in Taschkent. Die "Schuld" von Madaminow vor seiner historischen Heimat wurde auf die Schultern seiner nächsten Angehörigen übertragen. Drei Brüder des Vorsitzenden der Demokratischen Partei befinden sich bereits dank falschen Beschuldigungen in Haft. Nach Angaben des russischen Rechtsschutzzentrums "Memorial" werde, um Geständnisse zu erzwingen, des Öfteren von Folter Gebrauch gemacht. Die Strafsachen, bei denen es um Terrorismus in Usbekistan gehe, seien größtenteils fabriziert.

"Sowjetische Methoden" beim Kampf der Machtorgane Usbekistans gegen die Opposition machen sich auch darin bemerkbar, dass die nicht genehmen Personen in psychiatrischen Kliniken verschwinden. Das war auch der Fall mit der Aktivistin der Menschenrechtsgesellschaft in Usbekistan, Jelena Urlajewa. Nachdem sie an einigen Protestkundgebungen vor dem Gebäude der Bürgermeisterei von Taschkent teilgenommen hatte und sich zu einer weiteren ähnlichen Veranstaltung begeben wollte, wurde sie beim Verlassen ihres Hauses von Milizmännern in Zivil in ein Auto gesteckt und auf ein Milizrevier gebracht, wo man sie stark verprügelte. Danach wurde sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Nachdem sie fünf Tage dort verbracht hatte, gab das Gericht des Stadtbezirkes Mirabad von Taschkent rotes Licht für die "Zwangsbehandlung".

Was die politische Opposition in Usbekistan angeht, so möchte ich hervorheben, dass Muhammad Solich im Kampf um die Macht in erster Linie wegen seiner Clan-Zugehörigkeit kein Glück hatte. In Usbekistan, wie auch in Tadschikistan, haben sich die Clans nach territorialer Zugehörigkeit gebildet – Samarkand und Buchara, Taschkent, Fergana, Kaschkadarja. Im Unterschied zu Emomali Rachmonow ist der aus Samarkand stammende Islam Karimow infolge eines Kompromisses zwischen den Eliten dieser Clans an die Macht in Usbekistan gekommen. Im Laufe von drei Jahren festigte der Samarkander Clan in Taschkent seine Macht und rief damit Unzufriedenheit bei dem Fergana- und besonders bei dem Taschkenter Clan hervor. Im Jahr 1992 versuchten jedoch 75 Parlamentsabgeordnete mit dem Vizepräsidenten und Führer des Taschkenter Clans, Schukrullo Mirsaidow, an der Spitze und mit Unterstützung von "Erk" sowie der Bewegung "Birlik" Karimow zu entmachten. Deren Aktion scheiterte in vielem dadurch, dass die bei ihren Clans nicht angesehenen Führer der Opposition Muhammad Solich und Abduraschid Pulatow nicht imstande waren, das Volk hinter sich zu bringen. Obwohl der Staatsstreich in Usbekistan misslang, hat der Präsident beschlossen, sich rückzuversichern und enthob in den Jahren 1993 bis 1995 Vertreter des Taschkenter und des Fergana-Clans – die Vizepremiers Muhammedschan Karabajew und Anatolij Wosnenko, den Bürgermeister von Taschkent, Alchambek Adylbekow, und den Parlamentsvorsitzenden, Schowkat Juldaschew - ihrer Ämter. Bis auf den heutigen Tag bekleiden Vertreter des Samarkand- und Buchara-Clans die meisten staatlichen Schlüsselämter.

Turkmenistan

"Gerösteten Weizen isst, wer Zähne hat"

Interessant ist, dass in Turkmenistan, wo immer noch die Stammesaufteilung in Goklen, Jomut, Salir, Teke und Tschudur beibehalten wird, der Clan-Faktor nicht der entscheidendste ist. Präsident Saparmurad Nijasow, ein Teke, der absichtlich seine Kinderheim-Vergangenheit hervorhebt, hat nicht Vertreter des Familien-Clans um sich versammelt und damit erreicht, dass keine der Regionen nicht einmal versucht, um die Macht zu kämpfen. Außerdem ist in der Republik die Tätigkeit der politischen Opposition offiziell verboten. All das erklärt in vielem nicht nur das Nichtvorhandensein einer organisierten Opposition, sondern auch potentieller Führer, die zu konkretem Vorgehen imstande sind. Die Situation wird noch dadurch erschwert, dass die zwei wichtigsten turkmenischen Oppositionellen, einst engste Vertraute des Präsidenten – Awdy Kulijew und Boris Schichmuradow – gezwungen sind, im Ausland zu leben, was den politischen Kampf wesentlich erschwert. Der Gerechtigkeit halber muss man unterstreichen, dass Präsident Nijasow befürchtet, dass in seiner Umgebung ein Anwärter auf den "Sessel des Monarchen" auftauchen könnte. Eben damit ist der Umstand zu erklären, dass in Turkmenistan in den Jahren der Unabhängigkeit einige Male die meisten Chefs von Ministerien und Behörden ausgewechselt wurden, und der Präsident in letzter Zeit begonnen hat, die Minister zeitweilig zu ernennen, für ein halbes Jahr oder ein Jahr.

Bemerkenswert ist, dass Turkmenbaschi selbst in seinen Reden vor dem Volk des Öfteren ein Sprichwort wiederholt: "Es lebt derjenige, der stärker ist, gerösteten Weizen isst derjenige, der Zähne hat" und die Bevölkerung der Rayons, wo Erdöl und Gas vorhanden sind, aufruft, sich nicht besonders damit zu brüsten. "Sollte jemand auf die Reichtümer Anspruch erheben, die dem Staat gehören, wird das", nach Überzeugung von Nijasow, "zur Uneinigkeit unter dem Volk führen". Es sieht jedoch so aus, als ob Saparmurad Nijasow fest dem Prinzip folgen würde "der Staat bin ich". Gehören doch alle Naturschätze in Turkmenistan dem Präsidenten und seinen Angehörigen. Durch den Verkauf von Erdöl, Gas, Baumwolle und Schwefel hat Nijasow, wie er selbst zugibt, bereits ein Vermögen von drei Milliarden Dollar angehäuft, die in europäischen Banken deponiert sind.

Kirgisistan

"Wenn wir früher Kommunismus aufbauten, so jetzt Keminismus"

Die Formel von Ludwig XIV. befolgt auch der kirgisische Nachbar von Turkmenbaschi, Askar Akajew, der jedoch nicht ganz so weit gegangen ist, aber die Export- und Importoperationen, Operationen mit Gold, den Verkauf und die Privatisierung von Strom persönlich kontrolliert. Die politische Elite Kirgisistans ist in zwei regionale Clans aufgeteilt: den nördlichen, dem der aus dem Rayon Kemin stammende Askar Akajew angehört, und den südlichen. Der Kampf zwischen den Clans hat sich in den Jahren der Unabhängigkeit, als der jetzige Präsident an die Macht kam, zugespitzt. "Wenn wir früher Kommunismus aufbauten, so jetzt Keminismus", wird in Kirgisistan in den letzten Jahren gescherzt. Dabei muss hervorgehoben werden, dass die Vertreter des südlichen Clans sich mit dem Schicksal nicht abgefunden haben, im Hinterhof der Macht zu sitzen. Von Zeit zu Zeit spitzt sich in der Republik der politische Kampf zu, was die lokalen Analytiker ernst besorgt, die sogar damit beginnen, die "tadschikische" Variante der Entwicklung der Ereignisse vorauszusagen. In Kirgisistan ist die politische Opposition, im Unterschied zu Usbekistan und Turkmenistan, zugelassen, aber drei Oppositionsparteien war im letzten Jahr verboten worden, an den Parlamentswahlen nach Parteilisten teilzunehmen. Der wichtigste kirgisische Oppositionelle, der Vorsitzende der Partei "Ar-Namys", Feliks Kulow, befindet sich in Untersuchungshaft. Er wird beschuldigt, seinerzeit das Amt des Ministers des antiterroristischen Zentrums "missbraucht zu haben". Unterdessen ist es eindeutig, dass die "Sache Kulow" einen politischen Hintergrund hat. Im Jahr 1988, vor den Präsidentschaftswahlen in Kirgisistan, war das Ansehen von Feliks Kulow so angestiegen, dass Askar Akajew, dessen Ansehen viel geringer war, beschloss, den Rivalen loszuwerden, was dazu führte, dass der wichtigste Oppositionelle schon bald hinter Gitter landete.

Kasachstan

"Diejenigen, die sich in Dschuz‘ aufteilen, werden von Allah bestraft"

Das Schicksal von Feliks Kulow hat, in nicht ganz so harter Form, auch den im Ausland lebenden ehemaligen Premierminister Kasachstans, Akeschan Kaschegeldin, eingeholt, der in seiner Heimat in Abwesenheit zu zehn Jahren Haft mit Konfiszierung des Eigentums verurteilt wurde. Der Führer der kasachischen Opposition hat es nicht eilig, auf den Boden seiner Vorfahren zurückzukehren und bevorzugt es, seine Kampfgenossen aus dem Ausland anzuführen. Es ist sogar soweit gekommen, dass der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei Kaschegeldin der kasachischen Führung zum zehnjährigen Jubiläum der Unabhängigkeit der Republik ein Geschenk machte und Ende letzten Jahres die Führer der halboppositionellen "Asamat"-Bewegung, Pjotr Swoik, und des nicht zahlreichen "Volkskongresses", Gulschan Ergalijew, überzeugte, ihre Kräfte im Kampf für Demokratie zu vereinigen. In einer Erklärung der neugebackenen Vereinigten demokratischen Partei hieß es, dass die zehn Jahre der Unabhängigkeit Jahre der "Verluste und Enttäuschungen" waren. Im Dokument wurde unter anderem hervorgehoben, dass das Volk Kasachstans äußerst besorgt darüber sei, dass die Kinder von Nursultan Nasarbajew "offen Anspruch darauf erheben, infolge der Übergabe der Macht von einer Dynastie zur anderen oder eines Palastputsches den Präsidentenposten einzunehmen". Die "Unfähigkeit des Parlaments, die Entwicklung der Lage im Lande sowie die Marionetten-Regierung zu beeinflussen" lässt die Partei auf der Hut sein. Der politische Kampf um die Macht ist in Kasachstan mit dem in letzter Zeit zunehmenden Kampf der Clans um die höchsten Staatsämter verflochten. Bedingt ist Kasachstan in drei Dschuz‘ aufgeteilt – den ältesten (im Süden des Landes), den mittleren (Zentral-, Nord- und Ostkasachstan) und den jüngsten (im Westen der Republik). Sogar als Kasachstan eine Sowjetrepublik war, versuchte die zentrale Macht die Balance zwischen den Dschuz‘ beizubehalten. Auch in den ersten Jahren der kasachischen Unabhängigkeit achtete man darauf. Präsident Nursultan Nasarbajew ist Vertreter des ältesten Dschuz‘, der ehemalige Premierminister, Akeschan Kaschegeldin, des mittleren und der damalige Parlamentsvorsitzende, Abisch Kekilbajew, des jüngsten. Heute ist der jüngste Dschuz‘ benachteiligt, was die Zahl der Ämter angeht. Eben deshalb steigt in den westlichen Regionen Kasachstans, die an Erdöl- und Gasvorräten reich sind, die Zahl derjenigen, die gegen die heutige Macht stimmen. Bei den vorzeitigen Präsidentschaftswahlen im Jahr 1999 bekam Präsident Nursultan Nasarbajew die wenigsten Stimmen in Westkasachstan. Wahrscheinlich um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, wiederholt Nursultan Nasarbajew immer wieder vor seinem religiösen Volk: "Diejenigen, die sich in Dschuz‘ aufteilen, werden von Allah bestraft."

Ungeachtet dessen ist es offensichtlich, dass die Gefahr, bestraft zu werden, in Zentralasien nicht nur und nicht so stark von Allah ausgeht. Diese Gefahr hat dazu geführt, dass einigermaßen brauchbare oppositionelle Kräfte, die legal und nach den Regeln der öffentlichen Politik vorgehen könnten, in den Ländern dieser Region gar nicht auftauchen können. Die einzige Chance für die oppositionellen Kräfte Zentralasiens ist überdies die Unterstützung von außen, deren Bildung im Ausland. Dass es solche Voraussetzungen geben wird, ist zumindest im Jahr 2002 wenig wahrscheinlich. Die militärpolitischen und geopolitischen Interessen der Großmächte

stehen über deren Bestreben, den Autoritarismus auszurotten und die demokratischen Anwandlungen der rechtlosen Bürger der Staaten Zentralasiens zu unterstützen. (lr)