Albaniens Präsident Rexhep Meidani erklärt im DW-Interview Bereitschaft zu erneuter Kandidatur
23. Mai 2002Anzeige
Köln, 21.5.2002, DW-radio / Albanisch
Frage
: Ihre fünfjährige Amtszeit nähert sich ihrem Ende. Welche besonderen Momente gab es in Bezug auf die Bilanz Ihrer Arbeit in diesen fünf Jahren?Antwort:
Es ist natürlich sehr schwierig, die Tätigkeit aus fünf Jahren zusammenzufassen. Dies sind keine Aktivitäten einer Person, auch wenn diese der Präsident der Republik ist, sondern aller staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen. Ich sehe diese Entwicklung sehr optimistisch. Sie reflektiert eine neue Mentalität in der albanischen Gesellschaft, den institutionellen Gedanken, was bedeutet, dass die Probleme innerhalb des gesetzlichen und des Verfassungsrahmens gelöst werden. Diese Mentalität zeigt sich bei den politischen Parteien, indem sie gemäß ihren Statuten handeln. Zweitens gibt es einen wesentlichen Unterschied in der Zusammenarbeit der staatlichen Strukturen mit der neuen albanischen Geschäftswelt, der im Vordergrund steht, wenn es um die Veränderung der Mentalität und die Annahme einer freien Wirtschaft geht. Ich denke, dass in dieser Richtung das Amt des Präsidenten zu einer besseren Koordinierung der staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen beigetragen hat. Es sind Erfolge auch auf dem Gebiet der Menschenrechte zu verzeichnen. Dazu gehört etwa die Schaffung einer unabhängigen Institution, des Bürgeranwalts (alban.: Avokati i Popullit, Anwalt des Volkes – MD)Das alles ist parallel zu einer schnellen Entwicklung der Medien geschehen. Diese Entwicklung ist vielleicht nicht auf dem Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung, aber die Medien haben eine kräftige Stimme im albanischen Raum. Für die Dezentralisierung und Trennung der Machtinstitutionen und für die Autonomie der lokalen Institutionen muss trotz der Erfolge noch mehr getan werden.
Frage
: Wenn wir über die Mängel und Misserfolge reden, welche von den Zielen, die Sie vor fünf Jahren hatten, sind nicht realisiert worden?Antwort:
Ich würde sagen, dass es immer noch trotz meiner Bemühungen eine Deformierung des politischen Lebens gibt. Das politische Leben findet noch nicht in den staatlichen Strukturen statt, sondern in den von Parteien geschaffenen Strukturen.Frage
: Wir bleiben noch bei der politischen Situation in Albanien. Sehen Sie einen Defekt in dem System der Präsidentenwahl?Antwort
: Es gibt natürlich ein Problem. Nach der Verfassung muss der Präsident nicht Teil der Parteistrukturen sein, er darf noch nicht einmal Mitglied einer politischen Partei sein. Zugleich wird die Wahl des Präsidenten vom Parlament, in dem die politischen Parteien vertreten sind, durchgeführt. Der Widerspruch ist sichtbar. Der Prozess der Präsidentenwahl wird damit parteipolitisch gefärbt. Ich würde wünschen und raten, dass sich jeder gewählte Präsident nur an die Regeln und Kompetenzen hält, die ihm die Verfassung einräumt. Nur so kann er seine überparteiliche Rolle spielen. Ich habe mich während meiner gesamten Amtszeit bemüht, mich vom parteipolitischen Leben fern zu halten. Meine sehr kurze Erfahrung dort, nämlich nur neun Monate, hat mir geholfen, mich von solchen Einflüssen zu distanzieren und die institutionellen, gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu respektieren.Frage
: Mit Ihrer Wahl wurde ein neues Modell in der albanischen Politik angewandt. Vorher wurde das amerikanische System angewendet, und jetzt hat der Präsident eine mehr repräsentative Rolle, was dem deutschen System näher kommt als dem amerikanischen. Sind Sie der Meinung, dass das das bestgeeignete Modell für Albanien ist?Antwort:
Die Gestaltung dieser Institution steht im Einklang mit der Verfassung. In der ersten Periode basierte dieses Modell auf einer Bestimmung, die dem Präsidenten die Mitgliedschaft in einem Parteiforum erlaubte. Er durfte auch eine Kabinettsitzung einberufen. Mit der neuen Verfassung ist das nicht mehr möglich. Der Präsident kann Informationen von jedem Kabinettsmitglied verlangen, aber keine Sitzung leiten. Er darf auch kein Mitglied der Führungsstrukturen einer Partei sein. Gleichzeitig hat jetzt der Präsident viele Kompetenzen, mit denen er ausgleichen aber nicht herrschen soll.Frage:
Sie haben gesagt, dass der neue Präsident eine ausgleichende Rolle haben muss. Welche Vorstellung haben Sie in Bezug auf einen Konsens-Präsidenten?Antwort
: Die Verfassung Albaniens begünstigt einen Konsens-Präsidenten, da 60 Prozent der Stimmen der Abgeordneten für die Wahl notwendig sind. In Verfassungen anderer Länder sind 50 Prozent plus eine Stimme nötig.Frage:
Werden Sie noch einmal kandidieren?Antwort:
Der Präsident wird nicht direkt vom Volk gewählt. In diesem Fall würde ein langer Wahlkampf stattfinden, in dem man frühzeitig seine Kandidatur erklärt, Wahlkampfteams aufstellt, Slogans ausarbeitet. Bei uns existiert ein rein parlamentarisches System für die Wahl des Präsidenten. Der Wahlvorgang wird mit einem Kandidatenvorschlag, der von mindestens 20 Abgeordneten kommt, in Gang gesetzt. In den Parteien werden die Kandidaten von den Führungsstrukturen vorgeschlagen. Falls in parlamentarischen und parteipolitischen Strukturen davon ausgegangen wird, dass ich in einer zweiten Amtszeit nicht herrsche, sondern in der Rolle eines Moderators Albanien dienen kann, wäre es für mich normal, so ein Angebot zu akzeptieren. (Interview: Adelheid Feilcke-Tiemann) (MK)Anzeige