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Afrikas schwieriger Kampf gegen illegale Finanzströme

Martina Schwikowski
3. September 2025

Aus Afrika fließen jährlich 88 Milliarden US-Dollar durch Steuerhinterziehung, Geldwäsche, und Korruption ab, warnt ein Bericht der Afrikanischen Union. Viel Geld, das für die Entwicklung der betroffenen Länder fehlt.

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Bunte Bündel nigerianischer Naira aufeinander gestapelt
Durch Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche verlieren afrikanische Länder enorme Summen, die zur der Entwicklung ihrer Länder fehlenBild: Ubale Musa/DW

Afrika entgehen jährlich 88 Milliarden US-Dollar durch Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption, warnt die Afrikanische Union in einem aktuellen Bericht. Vor zehn Jahren waren es demnach noch 50 Milliarden Dollar jährlich - das Problem verschärft sich also.

Diese illegalen Geldströme entziehen den Regierungen dringend benötigte Einnahmen, die sonst in wichtige öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Infrastruktur investiert werden könnten, sagen Experten.

"Korrupte Elite bunkert Geld in Steueroasen"

Afrika verliert laut Christoph Trautvetter, Koordinator des deutschen Vereins "Netzwerk Steuergerechtigkeit", derart hohe Milliarden-Beträge, weil "Digitalkonzerne und Rohstoffhändler ihre Gewinne in Steueroasen verschieben und die korrupte Elite Geld auf anonymen Offshore-Konten bunkert". 

Das Problem sei altbekannt: "Der direkte Schaden ist dabei noch viel größer, weil durch dieses System Korruption und Kriminalität gefördert wird und Staaten, die eigentlich für Entwicklung sorgen sollen, geschwächt werden", betont Trautvetter gegenüber der DW. "Provokant gesagt, profitieren die Reichen und Mächtigen sowohl in Afrika als auch im globalen Norden letztlich von diesem System", sagt Trautvetter. "Es gibt riesige Widerstände dagegen, für mehr Transparenz und bessere Zusammenarbeit zu sorgen und es grundlegend zu reformieren."

Noch werde zu wenig getan, um diese Kriminalität einzudämmen. Aber es gebe auch Fortschritte: Vor allem hätten sich mehr als 100 Staaten 2017 darauf geeinigt, Informationen über die Eigentümer von Bankkonten automatisch auszutauschen. "Das heißt, Banken aus vielen Geheimnisoasen melden seitdem automatisch Informationen über die Konteneigentümer an die Steuerbehörden in ihrem Heimatland", so Trautvetter. 

Mehr Transparenz bei Datenkontrollen

Das zeige sich zum Teil noch nicht in den Daten, weil viele afrikanische Ländern noch mit der Umsetzung dieser Vereinbarung beschäftigt seien, keine Daten erhalten und noch nicht ausgewertet hätten. "Aber das wird in den nächsten Jahren definitiv zu wesentlichen Verbesserungen führen", betont Trautvetter.

Positiv sieht er auch, dass seit diesem August bei den UN an einem globalen Rahmenabkommen gearbeitet wird. Die Fragen "der globalen Steuergerechtigkeit von der Besteuerung von großen Digitalkonzernen bis hin zum Aufspüren von illegitimen Finanzflüssen" sollen darin geklärt werden. 

Angola Luanda | Gläserne Fassade einer Bank, davor Luxusautos
Afrikas Kapazitäten zur Kontrolle von illegalen Finanzflüssen sind eingeschränktBild: Braima Daramé/DW

Doch der AU-Bericht stellt trotz einiger Erfolge fest, dass die globalen geopolitischen Veränderungen der vergangenen zehn Jahre Afrika noch anfälliger für illegale Finanzströme gemacht haben. Wichtige Faktoren wirkten sich negativ aus - darunter die Rivalität zwischen den USA und China, die COVID-19-Pandemie, der Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie die geopolitischen Konsequenzen des Klimawandels. Dazu kommt die in Teilen Afrikas enorm hohe Staatsverschuldung.

Im Kampf gegen illegale Transaktionen hat die Afrikanische Union mehrere Instrumente geschaffen: Neben einer panafrikanischen Kooperationsplattform wurden mehrere Arbeitsgruppen gegründet. Sie wollen etwa im Ausland gestohlene Vermögenswerte zurückholen oder Wirtschaftsbereiche wie den Bergbau kontrollieren, die besonders anfällig für nicht deklarierte Exporte sind.

Auf nationaler Ebene haben viele afrikanische Länder Finanzermittlungsstellen oder spezialisierte Steuerbehörden eingerichtet, sind sich Experten einig. Laut dem Bericht der AU reicht dies jedoch nicht aus, weil diese Institutionen nicht effizient genug seien.

"Illegale Finanzströme saugen Afrika aus"

Der Kameruner Idriss Linge ist Advocacy Officer für das Tax Justice Network (TJN) mit Sitz im britischen Bristol. Er räumt ein, dass Steuerausfälle Afrika besonders hart treffen: "Illegale Finanzströme gibt es weltweit, aber Afrika ist am stärksten betroffen, weil die Haushalte dort ohnehin schon stark belastet sind", sagt er zur DW. "Multinationale Konzerne beuten die Rohstoffindustrie aus, Steueroasen ermöglichen ihnen Steuerhinterziehung, und mangelnde Transparenz verschleiert das Ganze. Illegale Finanzströme sind lebensbedrohlich - sie saugen Afrika aus", sagt der Steuergerechtigkeits-Experte. 

Nigeria Ölraffinerie
Nigeria verliert durch Gewinnverlagerungen im Ölsektor Milliarden, die zur Gesundheitsversorgung und Bildung der Bevölkerung beitragen könntenBild: Temilade Adelaja/REUTERS

Rohstoffreiche Länder wie Nigeria, Angola und die Demokratische Republik Kongo seien am stärksten gefährdet, so Linge. Allein in Nigeria gingen durch Gewinnverlagerungen im Ölsektor Milliarden verloren. "Mit diesem Geld könnten 500.000 Menschen mit sauberem Wasser, 800.000 mit sanitären Einrichtungen und 150.000 Kinder mit Schulbildung versorgt und durch eine bessere Gesundheitsversorgung jährlich über 4000 Kinder gerettet werden. Die illegalen Geldströme sind nicht abstrakt - sie verweigern den Menschen ihre Rechte."

Die Konsequenzen dieser kriminellen Praktiken sind schwerwiegend. Der finanzielle Verlust für Afrika werde zwar von der AU mit rund 90 Milliarden Dollar durch illegale Finanzaktionen angegeben, aber grobe Schätzungen gingen sogar von über 500 Milliarden US-Dollar aus, sagt Linge.

Das Geld fehle - etwa für die Bezahlung von Lehrern und Ärzten, den Aufbau von Klima-Resilienz oder die Finanzierung von Entwicklung. "Gleichzeitig ist Afrika gezwungen, Schulden zu hohen Zinsen zu bedienen", kritisiert der Finanzexperte. Denn afrikanische Länder müssen auf dem Kapitalmarkt höhere Zinssätze hinnehmen als die Wirtschaftsmächte des globalen Nordens.

Vorenthaltene Einnahmen durch Steuerhinterziehung und hohe Verbindlichkeiten durch Kreditrückzahlungen - beides zusammen schränkt viele Staaten Afrikas massiv in ihrer Haushalts- und Steuerpolitik ein. Illegale Finanzströme auszutrocknen, wäre also auch ein Schritt zu mehr Souveränität für die Regierungen.

Linge fordert - wie auch die Autoren des AU-Berichts - eine besser koordinierte Zusammenarbeit auf dem Kontinent. Und eine konstante Überwachung der Finanzsysteme: Kriminelle fänden stets neue Lücken darin, um ihre Machenschaften zu vollziehen.